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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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seinen Augen zu und ihm wurde schwindlig.
    »Du musst… gehen.« Tir ergriff seine Hand. »Ich muss das allein hinter mich bringen. Geh an Deck. Warte dort.«
    Bran vermochte sich nicht zu erheben. Er kniete neben ihr, das Gesicht im Pelz vergraben, und roch ihre warme Haut und das Blut.
    »Geh.« Tir legte ihre Arme an die Seiten. Sie war nass von Tränen und Schweiß.
    Als die Wehen wiederkamen, richtete Bran sich mühsam auf. Linvi und Gwen führten ihn aus dem Bugraum und zur Treppe. Dort verließen sie ihn, denn jetzt schrie Tir schlimmer als je zuvor. Bran packte die Treppe mit beiden Händen. Er kniff die Augen zusammen und drückte seinen Kopf gegen die Stufe. Die Frauen sprachen leise miteinander, und er konnte Tir weinen hören.
    Bran stellte seinen Fuß auf die unterste Stufe. Er hörte ihren schweren Atem und spürte ihn in sich selbst. Sie war eins mit seinem eigenen Atem, sie war seine Seele. Wenn sie starb, würde er nicht mehr weiterleben können.
    Das waren Brans Gedanken, als er durch die Luke an Deck kroch. Er sah die Männer und Kinder, die sich entlang der Reling unter Fellen und Decken zur Ruhe gebettet hatten. Hagdar hatte seine drei Jungs am Mast versammelt. Sein Kleinster schmiegte sich in seine Armbeuge und lutsche am Daumen. Und oben im Bug hatten es sich Dielan und Konvai unter den Decken bequem gemacht. Dielans Sohn war im Laufe des Winters von einem Säugling zu einem Jungen herangewachsen und Bran konnte bereits die Züge seines Bruders in dem kleinen Gesicht erkennen. Die dunklen Augenbrauen, die großen Augen und die breiten Wangenknochen, all das war wie bei Dielan.
    Der Schrei schlug ihm durch die Luke entgegen. Bran fasste sich an den Kopf und biss die Zähne zusammen, so dass seine Kiefer schmerzten. Er taumelte zur Reling und krallte seine Finger um das verwitterte Holz. Niemals hatte er sich vorgestellt, dass es so sein würde. Als Konvai geboren worden war, hatten die Männer über Dielans Klagen gelacht und ihm auf die Schulter geklopft, wenn Gwen schrie. Damals hatte er nicht verstanden, welch eine Quälerei Gwen durchstehen musste, denn er hatte selbst noch keine Frau gehabt. Doch jetzt brannten die Schreie in ihm, und es gelang ihm nicht einmal, sich über das zu freuen, was im Begriffe war zu geschehen.
    Ein Platschen ertönte unter ihm. Bran kniff die Augen zusammen und sah auf zwei Kinlender hinab, die unmittelbar neben dem Schiffsrumpf aufgetaucht waren. Diese hatten keine Zacken auf dem Rücken und sie waren kleiner als Queya und die anderen Krieger. Sie legten sich auf den Rücken und paddelten mit dem langen Schwanz zwischen den Beinen, während sie zu ihm emporblickten. Netze voller Muscheln hingen von ihren Schultern nach unten und das Wasser um sie herum war schwarz wie die Nacht. Die Wracks, die ringsherum an ihren Ankerplätzen lagen und das Atoll umgrenzten, glichen Schatten aus einer anderen Welt. Und war es das nicht auch? Sie waren Erinnerungen aus einer anderen Welt, einer verlorenen Welt, einer anderen Zeit.
    Bran drehte sich zu dem Wrack und der Muschelmauer um, die vor dem Langschiff lag. Wenn der Morgen kam, würden die Stürme noch immer wie eine rußschwarze Mauer am Horizont im Osten liegen. Er fragte sich, ob die Krieger, die der König ausgesandt hatte, mit den Wrackresten von Nangors Langschiff zurückgekommen waren oder ob sie dort draußen unter den gewaltigen Wellen des Sturmrands noch immer herumirrten. Nur die Hoffnung wehrte die Trauer ab, denn er wollte nicht glauben, dass es Nangor und seine Mannschaft nicht geschafft hatten. Taran war bei ihnen, Nosser und viele andere. Die Tirganer, die die Witwen geheiratet hatten, segelten auf diesem Schiff. Und viele der Frauen erwarteten Kinder.
    Erneut schrie sie. Jetzt lag mehr als nur Schmerz in ihrer Stimme, da waren Erschöpfung und Angst. Bran spürte wie die Schläge des Lebens hinter seiner Brust hämmerten. Er wäre durch einen vandarschen Pfeilhagel gelaufen, um ihr diesen Schmerz abzunehmen. Er hätte es mit Ekserk, Berav und all den anderen alten Göttern seines Volkes aufgenommen, bloß um ihr die Zeit zu verkürzen. Doch er wusste, dass er kaum etwas anderes tun konnte, als zu warten.
     
    Als die Sterne des Großen Wagens am hellsten leuchteten, schlich sich Bran zur Luke. Er hörte ihren angestrengten Atem, und ihm gefiel das nicht. Es war nicht richtig, dachte er, dass sie derart leiden musste. Da tauchte Nari in der Luke auf und sah nach ihm. Kais Frau lächelte ihn an, ehe sie ihn

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