Das Verhör
siebenunddreißigjähriger Mann und ihr zehnjähriger Sohn, wobei Carl ihr Alter zu jenem Zeitpunkt allerdings noch nicht gewusst hatte.
Vor sechs Monaten war Carl Seaton im milchigen Weiß der Winterdämmerung in das bescheidene, einstöckige Haus von Aaron und Muriel Stone eingebrochen, um die kleine Waffensammlung im Keller zu stehlen. Er räumte ein, dass er von Schusswaffen keine Ahnung hatte und nur das Vergnügen kannte, sie in der Hand zu halten, und das Gefühl von Macht, das sie ihm verliehen. Carl Seaton schlug ein Kellerfenster ein. Der Krach, den sein gewaltsames Eindringen verursachte, machte ihm keine Sorgen, weil er erfahren hatte, dass die Familie in Urlaub gefahren war und es keine Alarmanlage gab.
Er war enttäuscht, als er feststellte, dass die so genannte Waffensammlung nur aus drei Handfeuerwaffen bestand. Er war überrascht, als er feststellte, dass sie geladen waren. Dann beschloss er, das Haus zu durchsuchen. Er dachte, er würde vielleicht etwas Wertvolles finden. Dabei wusste er überhaupt nicht, wie man mit Diebesgut handelt. Er hörte ein Geräusch aus dem ersten Stock. Schlich auf lautlosen Turnschuhsohlen durch den mit Teppich ausgelegten Flur zur Treppe. Im Obergeschoss betrat er ein Schlafzimmer und stellte erstaunt fest, dass ein Mann und eine Frau schlafend im Bett lagen. Die Frau leicht zusammengekuschelt, die Bettdecke zurückgeworfen. Wunderschöne Wimpern, dicht und leicht gebogen. Der Ehemann flach auf dem Rücken, mit offenem Mund, leise schnarchend. Carl wurde sich der Waffe in seiner Hand bewusst, spürte plötzlich die Macht der Situation, in der er sich befand. So musste es sein, wenn man - Gott war. Als er auf sie herabschaute, wie sie dalagen, so hilflos, so schutzlos, kam ihm der Gedanke, dass er mit ihnen machen konnte, was er wollte. Sie waren ihm auf Gnade und Barmherzigkeit ausgeliefert. Wie die Frau wohl ohne ihr blaues Nachthemd aussah? Er hatte noch nie eine echte nackte Frau gesehen, nur in Zeitschriften, Filmen und auf Videos. Aber im Augenblick war es nicht der Mühe wert, an so etwas zu denken. Er wollte sich nicht dieses schöne Gefühl verderben, einfach dazustehen und zu wissen, dass er das Sagen hatte. Er legte an und erschoss sie. Zuerst den Mann. Die Patrone explodierte durch die dünne Decke hindurch, kleine grüne Stofffetzen erfüllten die Luft wie ein Regenschauer. Der Knall des Schusses war nicht so laut, wie er es sich vorgestellt hatte. Als die Frau schlagartig wach wurde und die Augen aufriss, schoss er sie in den Mund und staunte darüber, wie das Blut strömte und ihre Augen im Schock starr wurden. Ein gewaltiges Niesen erschütterte seinen Körper, der Geruch von Schießpulver lag schwer in der Luft.
Ob wohl noch jemand im Haus war, der die Schüsse gehört haben konnte? Er ging auf den Flur hinaus, machte eine Tür am anderen Ende auf und sah einen Jungen in einem Bett schlafen, das fast wie ein Boot geformt war. Die Haare hingen ihm in ordentlichen Ponyfransen in die Stirn, seine Augenlider flatterten. Carl fragte sich, ob er ihn erschießen sollte oder nicht. Dann kam er zu dem Ergebnis, dass der Junge besser dran war, wenn er es tat. Es wäre doch schrecklich, aufzuwachen und feststellen zu müssen, dass Mutter und Vater tot waren. Ermordet. Carl erschoss den Jungen als einen Akt der Gnade. Er nickte dabei und fühlte sich gut, kam sich großzügig vor.
Carl Seaton hatte seine Mordtaten schon fast eifrig gestanden, froh darüber, die Einzelheiten zu liefern, die ihm zum Verhängnis werden würden. Mit einer Stimme, die vor Erleichterung lebhaft und heiter war. Das war bei denen, die ihre Taten schließlich eingestanden, oft der Fall.
Trent brachte Carl Seaton nichts als Verachtung entgegen, obwohl er während der Vernehmung Anteilnahme und Mitgefühl geheuchelt hatte. Ein solches Täuschungsmanöver war nur eine von vielen Fassetten, die ein Verhör ausmachten. Falls er im Augenblick überhaupt so etwas wie Mitgefühl aufbrachte, dann galt es Carl Seatons Eltern. Carl war siebzehn Jahre alt.
Trents Kinnlade tat weh. Er bekam nie Kopfschmerzen, stattdessen zog sich ein Schmerz am Kiefer entlang. Lächerlich, aber so war's. Das passierte meistens nach einem Verhör, wie eine Strafe, die er hinzunehmen hatte. Warum eine Strafe? Ich mach doch nur meine Arbeit. Das ist ja das Problem, hatte Lottie behauptet.
Und jetzt gestand er auch ein, warum Carl Seatons Geständnis, ein weiterer Pluspunkt in seiner Erfolgsbilanz, die Wellen des
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