Das Verhör
und die Jurys, die über die Schuld befinden, wissen Bescheid, wie so etwas passieren kann.«
Das verstand Jason. Er kannte die unterschiedlichen Einstufungen von Tötungsdelikten aus dem Fernsehen, Mord und Tötung im Affekt, hatte darüber aber noch nicht näher nachgedacht. Mit gerunzelter Stirn sah er Mr Trent an. Sein Gegenüber hatte einen Ausdruck im Gesicht, den Jason zuvor noch nicht wahrgenommen hatte. Er sah... hinterlistig aus. Jason fiel der Text aus einem Buch ein, das er als kleiner Junge gelesen hatte. Der Fuchs, ein schlauer, hinterlistiger Bursche. Mit einem Mal drang die Tragweite von Mr Trents Worten zu ihm durch. Wenn du Alicia getötet hättest.
»Aber ich -«
Trent schnitt ihm das Wort ab. Der alte Trick: eine Frage stellen, um das Gegenüber abzulenken.
»Weißt du, was dabei interessant ist, Jason?«, fragte er.
»Was?«
»Die Wahl der Waffe. Du hast gesagt, dass ein Stein verwendet wurde. Davon geht auch die Polizei aus. >Ein Schädeltrauma, hervorgerufen durch Gewalteinwirkung mit einem stumpfen Gegenstand< Das war die amtliche Formulierung. Es ist interessant, dass du auch gesagt hast, der Schlag wäre mit einem Stein ausgeführt worden. Warum hast du das gesagt, Jason?«
»Ich weiß auch nicht. Dort liegen viele Steine rum.«
»Was meinst du, was aus dem Stein geworden ist?«
Jason zuckte mit den Schultern, zappelte ein bisschen auf dem Stuhl herum, wurde sich wieder bewusst, wie heiß es im Zimmer war. Dieser ganze Kram mit dem Stein interessierte ihn eigentlich gar nicht. Was hatte das alles mit ihm zu tun? Er spürte, dass er Kopfschmerzen bekam; ein kleiner, pulsierender Schmerz setzte ein.
»Ich weiß nicht, was mit dem Stein passiert ist. Vielleicht wurde er weggeworfen.« Trotz allem, was Mr Trent über die große Hilfe gesagt hatte, wurde er die Befragung allmählich leid. Er wollte wirklich weg hier, wollte nach Hause.
»Ich glaube, ich möchte jetzt gehen«, sagte er. »Ich möchte nach Hause.«
»Jetzt noch nicht, Jason.«
»Warum nicht?« Hatte er nicht alle Fragen beantwortet?
»Weil du wichtig bist, das hab ich dir doch schon gesagt. Nicht nur, dass du Alicia sehr gut gekannt hast - du warst auch noch die letzten Stunden ihres Lebens mit ihr zusammen.«
»Das war der Mörder, nicht ich«, sagte Jason.
Trent gab keine Antwort und sah den Jungen nur an.
»Dann wollen wir mal zusammenfassen, ja?«, sagte er.
»Ja«, pflichtete Jason ihm bei. Die Zusammenfassung würde beweisen, dass er nicht der Letzte gewesen war, der Alicia lebend gesehen hatte.
»Du hast Alicia Bartlett gekannt. Sie war ein kleines Mädchen, das dich offenbar gern hatte. Ein intelligentes kleines Mädchen, das dir bei euren Spielen oft überlegen war und dir das Gefühl gab, minderwertig zu sein.«
Jason machte den Mund auf und setzte zum Sprechen an. Irgendwie hatte Mr Trent das alles ganz falsch verstanden. Aber sein Gegenüber hielt wie ein Verkehrspolizist die Hand hoch. Und Jason sank wieder auf seinen Stuhl zurück.
»Es macht dir Spaß, über Gewalt zu lesen. Diese Bücher, die du liest, und die Filme, die du erwähnt hast«, sagte Trent und sprach jetzt etwas schneller, damit der Junge keine Gelegenheit bekam, ihn zu unterbrechen. »Du hast gesagt, dass du dir manchmal nicht ganz sicher bist, was Realität und was Fantasie ist. Du hängst oft Tagträumen nach. Träumst manchmal von Gewalt -«
»Aber -«
Wieder diese Handbewegung eines Verkehrspolizisten.
»Dir ist der Wald vertraut, in dem Alicia Bartlett ermordet wurde. Du hast gesagt, dass sie mit einem Stein erschlagen wurde. Diese Information hatte die Polizei der Öffentlichkeit noch gar nicht gegeben, und doch hast du gesagt, dass ein Stein die Tatwaffe war. Das stimmt doch?«
»Das stimmt, aber -«
»Gelegenheit und Motiv sind die wichtigsten Aspekte in einem Fall, Jason. Und du hattest beides.«
»Ein Motiv?«
»Alicia hat sich über dich lustig gemacht. Hat dir das Gefühl gegeben, unterlegen zu sein.«
»Ich konnte Alicia gut leiden. Sie hat nie -«
»Sympathie und sogar Liebe sind nur durch eine hauchdünne Linie von Hass getrennt. Ein einziger Funke kann ihn auflodern lassen. Stellen wir uns den Tatsachen, Jason. Niemand sonst hatte die Gelegenheit. Du warst an diesem Nachmittag mit ihr zusammen. Warst allein mit ihr...«
»Ich war zwar allein mit ihr, aber -«
»Pass auf, das kann man ja alles verstehen. Du wolltest ihr nicht wehtun, nicht wahr?«
»Nein, ich -«
»So was passiert. Du hast die
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