Das verletzte Gesicht
Michael wandte sich angewidert ab, als Cowboyhut sein geschlagenes Tier aufnahm, es herumschwang und ihm dabei das Genick brach. Dann warf er den warmen Kadaver auf einen Berg bereits toter Tiere.
„Das ist also Gott gegeben“, höhnte Bobby mit Blick auf den Berg Kadaver und leere Bierdosen.
Michael antwortete mit einem säuerlichen Lächeln und wünschte, er könnte den schlechten Geschmack im Mund mit einem Bier hinunterspülen. „Jedenfalls geht es um Blut, irgendwie.“
„Wenn ich bedenke, dass ich mich alldem dreiunddreißig Jahre entziehen konnte …“
„Herrgott, was für eine Ansammlung niederer Kreaturen. Ich kann es nicht erwarten, hier wegzukommen.“
„Unser Fehler war es, Papa fahren zu lassen. Jetzt sitzen wir hier fest.“
„Wie viele Kämpfe müssen wir noch über uns ergehen lassen?“
Die Menge johlte, und wieder wurde ein Vogel am Hals über die Köpfe geschwungen.
„Wieder hat einer ins Gras gebissen“, bemerkte Michael finster.
„Ich esse nie mehr Geflügel“, schwor Bobby angewidert.
„Darauf würde ich nicht wetten. Da kommt Papa mit einem Teller Brathähnchen und Bier. Ich frage mich, woher der Vogel stammt.“
„Da seid ihr ja“, rief Luis. „Ich habe euch was zu essen gebracht.“
Michael und Bobby hoben gleichzeitig abwehrend die Hände. „Für mich nur ein Bier.“
„Wie lange dauert das noch?“ wollte Michael wissen.
Luis schien enttäuscht. „Es wird doch gerade erst gut.“
„Na fein“, erwiderte Michael und zog sich in den hinteren Teil des Clubhauses zurück, um die nächste Stunde zu überstehen. „Geh zu deinen Hähnen zurück“, rief er und winkte mit der Hand ab. „Wir warten hier, bis du fertig bist.“
„Manuel ist allein bei den Vögeln. Warum geht ihr nicht zu ihm?“
Michael blieb stehen und sah ihn nur durchdringend an. Luis wandte sich ohne ein Wort ab, und Michael war froh, seinen Rücken zu sehen.
Donner rollte von Ferne heran. Die Luft wurde feuchter, der Gestank unerträglich. Blauer Dunst aus zahllosen Zigaretten umwaberte sie. Michael erlebte seinen Vater in seinem Element. Sogar der naivste Betrachter bemerkte, dass Luis in dieser bunten Menge respektiert wurde. Seine Hähne gewannen im Verlauf des Abends, trotzdem musste einer getötet werden. Nach Ende der Kämpfe hatte er ein hübsches Sümmchen gewonnen, genug, die Verluste zu ersetzen und etwas übrig zu behalten. Die Männer versammelten sich um Luis, begutachteten seine Tiere und schlugen ihm gratulierend auf den Rücken.
Du verrückter Alter, dachte Michael bei sich. Hier, in dieser Welt aus Blut und Gestank, fühlst du dich wohl. Nun ja, ich bin nicht wie du und werde es auch nie werden.
Er schaute suchend über die Menge nach Bobby. Der lehnte mit bleichem Gesicht und dunklen Schatten unter den geschlossenen Augen an der Wand. Es war spät geworden. Die Menge hatte sich ausgedünnt. Die Männer, die geblieben waren, stanken nach Schnaps und hatten blutunterlaufene Augen. Michael rüttelte Bobby leicht an der Schulter. Blut und Schnaps, eine gemeine Kombination. „Gehen wir.“
Bobby wischte sich mit einer Hand über die Stirn, nickte und straffte sich. „Es wird Zeit. Ich glaube, ich brauche ein Bad, vielleicht auch zwei. Du gehst Papa holen, ich hole das Auto.“
Michael holte seinen Vater aus einer lachenden, scherzenden Menge von Bewunderern.
„Schon gut“, schnauzte Luis und hob die Hände. „Lass mich nur mein Geld zählen. Hilf Manuel, die Kisten zum Wagen zu tragen.“
Michael tat es, wobei Manuel ihm nur schweigend beim Anheben der Kisten half und dann fortging. Michael bewegte sich vorsichtig, da der Boden übersät war mit braunen und grünen Flaschen, Dosen und Speichel.
Die kühle Nachtluft draußen war wie ein wohltuender Schlag ins Gesicht. Donner grollte, und es wurde kühler. Michael atmete einige Male tief durch, und sogar die Tiere in den Kisten schienen ruhiger zu werden.
Einige Autos parkten noch in der Nähe des Eingangs, in anderen fuhren lachende, betrunkene Männer vorbei. Alle hatten es eilig heimzukommen, ehe das Unwetter losging. Ein Stück entfernt parkten Autos im halbhohen Gras. Manuels Lieferwagen stand ganz in der Nähe. Dorthin gingen sie zuerst und stellten die Käfige mit den erschöpften Tieren auf der Ladefläche ab.
Stirnrunzelnd blickte Michael suchend über den Platz. Sein Vater trat aus dem Clubhaus. Ein paar Männer standen, die Schultern eng beieinander, an einer braunen Limousine und tauschten Geld und
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