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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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einstieg. Die Beleuchtung im Auto war dämmerig, aber hell genug, ihre Schnitte und Prellungen zu offenbaren. „
Madre de Dios
, sieh dir deine Knöchel an.“
    „Mach dir um mich keine Gedanken. Leg den Kopf zurück, das stoppt die Blutung. Nimm meinen Jackenärmel, um das Blut aufzufangen.“
    „Dann ruiniere ich das Leder.“
    „Das ist mir egal. Nimm das Futter, das ist weicher.“
    Bobby legte den Kopf zurück auf die Lehne und drückte sich den Jackenärmel unter die Nase.
    Michael schlug die Tür zu, ließ den Motor an und überlegte fieberhaft, wo das nächste Krankenhaus war. Mit aufbrüllendem Motor schoss er vom Feld, dass die Erde aufstob. Als er das Clubhaus im Rückspiegel sah, sandte er ein Stoßgebet zum Himmel, der Blitz möge einschlagen und es in Schutt und Asche legen.
    „Ich will nach Hause.“
    „Ich bringe dich ins Krankenhaus.“
    Stille.
    „Vielleicht habe ich Glück und sterbe dort.“
    „Hör auf damit, Bobby! Das kann ich jetzt nicht gebrauchen.“ Er trat das Gaspedal durch. „Und du auch nicht. Papa ist es nicht wert. Er hat dir den Rücken gekehrt.“
    „Und du bildest dir ein, so viel besser zu sein?“
    Michael wandte ihm verblüfft das Gesicht zu. „Wie bitte?“
    Bobby konnte kaum einen Muskel in dem verquollenen Gesicht bewegen. Trotzdem gelang ihm ein schwaches Lächeln. „Du sagst immer, du bist nicht wie Papa. Dabei bist du genau wie er.“
    Michael presste die Kiefer zusammen und schwieg, obwohl er Bobby gern gesagt hätte, er solle die Klappe halten. Stattdessen schaltete er den Scheibenwischer ein und starrte in den heftigen Regen hinaus. „Nur weiter.“
    „Ich habe Papa heute die Wahrheit gesagt, weil ich es musste, um ihn zu schützen. Denn ich liebe ihn. Es hat mir nichts ausgemacht, es ihm zu verschweigen. Ich weiß aber, dass es dich bedrückt hat, weil du fandest, ich lebe eine Lüge.“ Er schloss die Augen und schluckte trocken. „Dabei habe ich nur geschwiegen, um zu leben, zu überleben, Miguel. Ich habe die Unaufrichtigkeit ertragen, weil ich ihm keinen Schmerz zufügen wollte … oder Mama, oder mir selbst. Ich wollte nicht zurückgewiesen werden, davor hatte ich Angst. Und als ich vorhin den Schmerz in seinem Blick sah …“ Die Stimme versagte ihm, und er schluckte wieder.
    Auch Michael spürte Tränen in den Augen brennen.
    „Es tut weh, Mann. Zurückweisung schmerzt verdammt.“ Bobby wischte sich schniefend die Nase.
    Michael fuhr sich mit einer Hand müde durch das Haar. „Schon okay“, sagte er, weil ihm nichts Besseres einfiel. Eine Weile fuhren sie schweigend bei prasselndem Regen durch die dunkle Landschaft und näherten sich den Lichtern der Zivilisation. Bobby stöhnte gelegentlich, wenn sie ein Schlagloch trafen oder eine Kurve zu scharf nahmen. Aber Michael wollte keine Zeit verlieren. Bobbys Blässe beunruhigte ihn sehr. Wie hatte Luis seinen eigenen Sohn verlassen können, der vielleicht dem Tod nahe war?
    Weil ihn Bobbys Vergleich mit seinem Vater wurmte, fragte er plötzlich unwirsch: „Wie kannst du behaupten, ich wäre wie Luis?“
    Bobby sah ihn verblüfft an, zog den Jackenärmel von der Nase und tupfte noch einige Male. Die Blutung schien aufgehört zu haben. „Das weißt du wirklich nicht?“
    „Nein!“
    „Gottverdammte Maya-Statue“, raunte Bobby, lehnte sich an die Tür und leckte sich stöhnend die geschwollenen Lippen. „Miguel, Miguel, Miguel, du hast Charlotte doch auch im Stich gelassen.“
    Michael zuckte wie elektrisiert zusammen. „Was sagst du da?“
    Bobby lag zusammengekauert in der Ecke, die Augen geschlossen. Besorgt berührte Michael ihn am Bein. Keine Reaktion. Ängstlich beugte er sich hinüber und fühlte seinen Puls. Die Haut war warm, der Puls war schwach, aber vorhanden.
    „Gott sei Dank“, murmelte er und trat das Gaspedal durch. Während er über den regennassen Highway jagte, betete er, dass er Bobby rechtzeitig ins Krankenhaus bringen konnte. Seit Jahren hatte er sich nicht an Gott gewandt, aber jetzt flehte er wie ein Messdiener.
    Die Abfahrt zum Krankenhaus nahm er in halsbrecherischem Tempo und raste vor die Notaufnahme. „Er hat Aids“, informierte er das Rettungsteam, das ihm entgegenlief.
    „Danke. Wir übernehmen jetzt“, erwiderte ein Mann und öffnete die Wagentür. Sie arbeiteten schnell, hoben Bobby auf eine Trage und rollten ihn in die Notaufnahme.
    Durch den starken Regen waren die grauen Steinwände des Gebäudes kaum zu erkennen. Kleine Bäche flossen über den

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