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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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Fernseher gegangen und hatte den unteren Teil ihres Gesichtes bedeckt. Da waren nur noch ihre Augen zu sehen gewesen, und die waren dieselben geblieben.
    Das Kojotengeheul durchdrang die milde Nacht. Michael blickte zu den Bergen, von denen Nebel herüberzog. Hätten wir unsere Differenzen beilegen können? Allein die Frage tat weh.
    „Beeilung,
mi’jos“
, rief Luis, als er, in der dunklen Kabine des Lieferwagens über das ganze Gesicht strahlend, vor der Hütte vorfuhr. „Diese herrlichen Vögel werden heute Nacht Männer aus euch machen!“
    Michael lehnte sich über die Verandabrüstung und winkte seinem Vater zu. Luis hatte darauf bestanden, seine Söhne zu einem Männerabend mitzunehmen, um nach einem langen Winter des Schweigens und Ausweichens die Bindung untereinander wieder zu festigen. Frauen waren dabei nicht gestattet. Schließlich waren sie der Anlass für alle Probleme, wie er glaubte.
    Michael fand es interessant, dass er sich ausgerechnet einen Hahnenkampf als Friedensstifter ausgesucht hatte. Letztlich war er aber froh, aus dem Haus zu kommen, und wäre fast überallhin gegangen, um nicht schwach zu werden und sich die Berichte über die Oscar-Verleihung anzusehen.
    Charlotte würde hinreißend gekleidet im Blitzlichtgewitter, von Fans umjubelt dastehen und vermutlich einen Oscar gewinnen. Er bezweifelte, dass er die Kraft hatte, sich anzuhören, wie sie mit der Statue in der Hand vielleicht ausgerechnet Freddy Walen dankte. Zwei Kampfhähnen bei ihrem blutigen Handwerk zuzusehen war vermutlich einfacher zu verkraften als Charlottes Anblick.
    „Und die Gewinnerin ist … Charlotte Godfrey für
Camille
.“
    Das Publikum tobte, und Charlotte spürte ihr Herz hämmern. Die Kameras zeigten in Nahaufnahme, wie sich auf ihrem Gesicht spontan ein strahlendes Lächeln ausbreitete.
    In solchen Momenten schien die Zeit wie in Zeitlupe zu vergehen. Das Orchester spielte, das Publikum jubelte, und neben sich hörte sie Freddys eindringliches: „Steh auf! Steh auf!“
    Sie erhob sich mit dem Gefühl, die Knochen seien aus Blei, die Schuhe falsch herum angezogen und das Lächeln im Gesicht erfroren. Ihre Hände in den langen cremefarbenen Handschuhen waren feucht, als sie sich das teure Kleid aus Taft und Seide in Kamelienfarbe richtete. Dutzende Leute hatten an dem schmalen Oberteil und weiten Rock gearbeitet, und Freddy behauptete, das Kleid verbreite den Zauber eines Stars.
    Leicht atemlos wandte sie sich Freddy zu, die Augen glitzerten feucht. Er drückte ihr aufmunternd die Hand, küsste sie erleichtert und stolz lächelnd auf die Wange, und seine Augen schwammen in Tränen. Schließlich gab er ihr einen kleinen Schubs.
    Charlotte atmete tief durch, nickte und machte sich auf den Weg zur Bühne. Freddy hatte ihr vorhin ein Amphetamin gegeben, damit sie das lange Programm durchstand, und sie spürte die Wirkung.
    Ringsum nur lächelnde Gesichter. Während sie durch die Reihen schlüpfte, berührte man sie kurz, flüsterte ihr Glückwünsche zu und versuchte ihr nahe zu kommen. Das Orchester spielte die Titelmelodie aus
Camille
, während sie graziös den Mittelgang entlang, die Stufen hinauf und quer über die große Bühne auf Mel Gibson zuging, der die goldene Statue hielt.
    Sie spürte das Gewicht des Oscars in der Hand, der für viele die Erfüllung ihrer Träume verkörperte. Ein Objekt der Begierde, auch der Anbetung – das goldene Kalb.
    Sie blickte über das im Art-déco-Stil geschmückte Podium und dachte weder an die Menschen im Saal, meistens Kollegen, noch an die Milliarden Zuschauer an den Satellitenempfängern auf der ganzen Welt. Sie dachte an Michael Mondragon.
    Bobby kam auf die Veranda, als Luis ungeduldig hupte. Er richtete sich den Kragen und winkte dem Vater zu. Dann wandte er sich zu Michael um und verdrehte die Augen.
    „Vamonos!“
rief Luis. „Wir kommen zu spät. Glaubt ihr, die warten auf uns? Steigt ein, fahren wir!“
    Nach einstündiger Fahrt in ein entlegenes Tal erreichten sie den Zielort. Im Schutze der Nacht versammelten sich Lieferwagen und Autos um ein schäbiges Holzgebäude, das so genannte Clubhaus. Scharen von Männern mit Holzkisten, in denen die Hähne zum Kampf gebracht wurden, strömten von zwei Seiten darauf zu. Luis trommelte ungeduldig auf das Lenkrad, während Bobby und Michael einen bedeutungsvollen Blick tauschten. Michael band sich vorsichtshalber das lange Haar im Nacken zusammen. Bobby blickte sich skeptisch um.
    Sobald sie den Wagen abgestellt

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