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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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hatten, gingen sie gemeinsam über das hart gebackene Feld, inmitten einer Menge rauer, muskelbepackter Männer mit Bierbäuchen, die meisten Mexikaner. Schulter an Schulter versuchten sie sich in das Clubhaus zu quetschen. Von Beachtung der Feuerschutzbestimmungen konnte hier keine Rede sein. Die Bude platzte vor Zuschauern und krähenden Kampfhähnen samt Besitzern bereits aus den Nähten.
    Hinter den Mondragons zischte jemand auf Spanisch, sie sollten sich bewegen. „
Andale!“
Die Kämpfe hatten schon begonnen.
    An der breiten Eingangstür stand ein bulliger Riese mit Vollbart, speckiger Sportkappe und Jeansjacke, die vor Schmutz starrte. Neben ihm war ein handgeschriebenes Schild aufgestellt: „Kein Zutritt für Kokser, Schwule und Weicheier.“
    Michael schaute über die Schulter, um zu sehen, wie Bobby das aufnahm. Der blinzelte ihm nur zu, verkreuzte die Finger und schlüpfte durch den Eingang. Michael folgte ihm und ihrem Vater in den feuchten, stinkenden Innenraum.
    „Da drüben!“ schrie Luis über den allgemeinen Lärm und deutete auf eine voll gepackte Ecke, in der Manuel Zigarette rauchend neben Kisten auf und ab ging. „Manuel hat unsere Hähne. Sind wunderschön. Kommt.“
    „Deine Hähne?“ zischte Michael Luis ins Ohr.
    Luis schnaubte nur und drängte sich durch die Menge auf Manuel zu, der einen großen dreifarbigen Hahn aus der Kiste nahm.
    „Endlich! Ihr kommt gerade noch rechtzeitig“, rief Manuel Luis zu. „Die Tiere sind angespannt“, verriet er Luis. „Wir haben schon zwei Kämpfe verloren.“
    „Sí, sí“
, erwiderte Luis mit der Ruhe des Erfahrenen. Er beugte sich über die Kisten und besah sich die Tiere. „Was sollen wir machen?“ fragte er achselzuckend und richtete sich wieder auf. „Wir werden wohl zwei oder drei verlieren. Aber nicht mehr. Sie kosten mich gutes Geld.“
    Michael fragte sich, wie viel. Diese Aktivität wurde eindeutig nicht in den Büchern aufgeführt.
    Luis wählte aus einem Sortiment eine lange schmale Klinge aus, schnitt damit die Seite eines Telefonbuches ein und prüfte die Schärfe zusätzlich an der schwieligen Haut seines Daumens. Er nickte zufrieden, nahm einen Hahn und befestigte die Klinge am Sporn seines linken Fußes.
    „Sieh ihn dir an, Miguel“, sagte er und beruhigte das Tier mit sachkundigem Streicheln. „Ist er nicht herrlich? Ein Conquistador. Dem muss keiner beibringen, wie man kämpft. Das hat ihm Gott gegeben.“ Er sah seine Söhne mit leuchtenden Augen an. „Es liegt im Blut.“
    Michael beobachtete fasziniert, wie sein Vater mit dem Tier umging, es streichelte und ihm ungeachtet der tobenden Männer ringsum, die nach Beendigung eines Kampfes lautstark ihre Wetten einforderten, den Kopf küsste. Das Signal ertönte. Luis begab sich in die Grube und beschwichtigte das Tier mit sanften Lauten. Ein anderer Besitzer mit einem Cowboyhut machte dasselbe. Michael trat näher. Die Menge schloss lautstark neue Wetten ab.
    „Fünfzig Mäuse auf den Cowboyhut!“ rief einer.
    „Fünfzig auf die rote Jacke“, rief ein anderer und meinte Luis.
    Die Männer platzierten fieberhaft ihre Wetten, während Luis und der Cowboyhut die Hähne dreimal rhythmisch aufeinander zuschwangen. Die Hähne krähten und gifteten sich kampfbereit an. Auch Michael spürte mehr Adrenalin durch die Adern fließen. Sein Vater hatte Recht, die Tiere waren wie in Trance. Der Raum stank nach Blut, Schweiß und ungewaschenen Leibern, die sich in wachsender Spannung vor dem todbringenden Kampf aneinander drängelten.
    Der Tod eines Tieres stand fest. Man musste nur die irren Blicke der Hähne sehen, um zu wissen, dass einer den Kampf nicht überlebte. Und Michael entdeckte entsetzt, dass sich die Blicke der Tiere und der ringsum stehenden Männer glichen.
    Die Tiere waren wie rasend, die Menge verstummte. Luis und der Cowboyhut setzten ihre Hähne hinter der Linie in den Sand. Sofort gingen sie mit gesträubtem Gefieder aufeinander los. Luis’ Hahn hackte dem anderen ins Genick. Und dann kämpften sie blindwütig in einem einzigen Federball.
    Nach wenigen Minuten war alles vorüber. Cowboyhuts Vogel lag am Boden. Die Menge tobte, Michael krampfte sich der Magen zusammen. Cowboyhut kam näher und animierte seinen Hahn mit Schnalzlauten zum Weitermachen. Es war zwecklos. Der Vogel war entweder tot oder stellte sich tot. Luis’ Hahn flog flügelschlagend auf den Kontrahenten und reckte siegreich den Hals.
    Unter lautem Zurufen tauschten Wettgelder den Besitzer.

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