Das verletzte Gesicht
Bemerkung:
Ich liebe dich auf meine Art.
Wie ein Vater etwa?
Sie sah Freddy an, der kalkweiß, schockiert ihre Mutter anstarrte. Mein Gott, es war ihr vorher nicht aufgefallen, aber seine Nase … sie hatte seine Nase gehabt vor der Operation.
Freddy wich zurück. „Sie sind verrückt, Lady. Ich habe keine Kinder. Ich kann keine Kinder zeugen.“
„Du wusstest es nicht!“ beteuerte Helena. „Ich bemerkte die Schwangerschaft erst, als du Polen verlassen hattest. Meine Familie verstieß mich. Ein Priester brachte mich nach Warschau. Sie wollten, dass ich mein Kind weggab. Das konnte ich nicht. Deshalb suchte ich deine Mutter auf. Sie erzählte mir, du wärst vor den Behörden nach Amerika geflüchtet. Sie hat mir geholfen, Fridrych. Sie gab mir ein Flugticket, damit ich dich suchen konnte.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Aber ich konnte dich nicht finden. Ich suchte und suchte, und dann wurde Charlotte geboren. Danach musste ich die Suche einstellen und arbeiten, um zu überleben. Ich habe immer gehofft, dich zu finden. Aber nicht so!“
„Mein Gott, nein“, beteuerte Freddy rasch, bleich und eindeutig erschüttert von der Neuigkeit. „Ich werde sie nicht heiraten. Scheiße, nein. Ich meine – ich wusste es nicht –, es ist nichts passiert.“ Er trat eifrig den Rückzug an, um eventuellen schmutzigen Gedanken entgegenzuwirken.
Auch Charlotte musste das alles erst verdauen. Sie dachte daran, wie Freddy ihr übers Haar gestrichen und sie im Spiegel bewundert hatte. Sie wäre mit ihm nach Südamerika gegangen. Die Vorstellung, was vielleicht passiert wäre, verursachte ihr Übelkeit.
„Wir wollten nicht wirklich heiraten“, plapperte Freddy weiter. „Es war alles eine Finte, um ohne Presse nach Südamerika entwischen zu können. Ich meine, Jesus …“ Er wischte sich die Stirn. „Ich hatte doch keine Ahnung …“
Freddy und Charlotte sahen sich an, forschend, fragend und gelangten zum selben Schluss.
Michael verfolgte das voller Skepsis. Er glaubte die Geschichte, aber das änderte wenig an seiner Einstellung zu Freddy. Er zog sich zurück und beobachtete die Familienangelegenheit aus der Perspektive des neutralen Betrachters.
„Charlotte Godfrey“, sagte Freddy vor sich hin. „Charlotte Godowski. Natürlich, du hast den Namen geändert.“ Er hob die Hand, wie um sie zu berühren, ließ sie jedoch wieder sinken. „Bei deinem richtigen Namen hätte ich etwas geahnt. Ich wusste von Anfang an, dass du etwas Besonderes an dir hast. Es sind deine Augen, sie gleichen denen deiner Mutter.“
Er wandte sich Helena zu und betrachtete die große, schäbig gekleidete Frau mit dem kurzen grauen Haar, dem blassen, faltigen Gesicht und den Beinen voller Krampfadern. Charlotte fiel auf, wie sehr die harten Zeiten ihre Mutter gebeugt hatten, sodass sie weit über ihre Jahre hinaus gealtert war. Wie würde Freddy sie jetzt sehen nach all der Zeit?
Sie entdeckte einen leicht verächtlichen Zug um seinen Mund. Wo sie auf Mitgefühl gehofft hatte, reagierte Freddy mit Verachtung. Zornig verteidigte sie ihre Mutter im Stillen. Sie hat sich verändert, weil sie sich die Finger wund gearbeitet hat, um mich aufzuziehen, weil sie von ihrem Geliebten, meinem Vater, von dir, Freddy, verlassen wurde! Du hast deinen Spaß gehabt und Helena den Preis zahlen lassen. Wie kannst du es wagen, auf sie herabzusehen, nun da sie alt und verbraucht ist und nicht mehr das hübsche junge Mädchen, dessen Leben du ruiniert hast?
„Was sagt man dazu?“ wandte er sich mit einem kurzen erfreuten Lachen an sie. „Ich habe eine Tochter.“
Charlotte hob nur leicht das Kinn, eine Geste, die besagte, dass sie keinerlei zärtliche Gefühle für ihn hegte. Sie musste sich noch daran gewöhnen, seine Tochter zu sein. Sie war ihm dankbar für seine Hilfe, aber sie liebte ihn nicht.
„Ich denke, das ändert alles“, sagte Dr. Harmon ernst. „Als ihr Vater wollen Sie zweifellos nichts tun, ihre Gesundheit zu gefährden.“
„Fridrych, du darfst sie nicht wegbringen, wenn sie krank ist“, redete auch Helena ihm ins Gewissen.
„Natürlich darf ich das“, widersprach er fast scherzend. „Als ihr Vater habe ich mehr Recht denn je, dafür zu sorgen, dass man sich um sie kümmert. Ich weiß, was das Beste für sie ist.“
Michael stieß sich von der Wand ab. Dr. Harmon richtete sich verlegen die Brille, als hätte er nicht richtig gehört. Charlotte öffnete den Mund zu einer Erwiderung, als sie Helena gebieterisch
Weitere Kostenlose Bücher