Das verlorene Gesicht
etwas
wissen.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, es ist noch was
anderes. Sagen Sie mir, was es ist, damit ich es aufklären
kann.«
»Gute Nacht, Mr Logan.«
»Also gut, wenn Sie schon nicht John zu mir sagen
können, dann lassen Sie wenigstens das Mr weg. Sie
wollen doch niemandem weismachen, dass Sie Respekt
vor mir hätten.«
»Gute Nacht, Logan.«
»Gute Nacht, Eve.« Bei dem Sockel blieb er stehen und
betrachtete den Schädel. »Wissen Sie, ich finde langsam
Gefallen an ihm.«
»Sie ist ein Mädchen.«
Sein Lächeln verschwand. »Tut mir Leid. Das war nicht
sehr lustig. Ich gehe davon aus, dass wir uns alle auf
unsere eigene Art damit beschäftigen, was nach dem Tod
aus uns wird.«
»Das stimmt. Aber manchmal müssen wir uns damit
beschäftigen, bevor es hätte so weit sein sollen. Mandy
wurde nicht einmal zwölf Jahre alt.«
»Mandy? Sie wissen, wer sie war?«
Das hätte ihr eigentlich nicht herausrutschen dürfen.
Ach, zum Teufel, es spielte keine Rolle. »Nein. Aber ich
gebe ihnen immer Namen. Und sind Sie jetzt nicht froh,
dass ich Ihr Angebot abgelehnt habe? Sie können sich
nicht ernsthaft wünschen, dass eine Exzentrikerin wie ich
an Ihrem Schädel arbeitet.«
»Doch, doch. Ich habe etwas für Exzentriker übrig. Die
Hälfte der Leute in meinen Denkfabriken in San Jose sind
ein bisschen überspannt.« Er wandte sich zur Tür. »Ach
übrigens, Ihr Computer ist schon drei Jahre alt. Wir haben
ein neues Modell, das doppelt so schnell ist. Ich werde
Ihnen einen schicken.«
»Nein, danke. Dieser hier funktioniert gut.«
»Man soll nie ein Bestechungsgeschenk zurückweisen,
wenn man nicht unterschreiben muss, dass man sich
erkenntlich zeigen wird.« Er öffnete die Tür. »Und lassen Sie
nie Ihre Tür unverschlossen wie heute Abend. Sie glauben
gar nicht, wer alles da drin hätte auf Sie warten können.« »Nachts schließe ich das Labor ab, aber es wäre unpraktisch, es die ganze Zeit über verschlossen zu halten. Alles hier drin ist versichert und ich weiß, wie ich mich
selbst schützen kann.«
Er lächelte. »Darauf könnte ich wetten. Ich werde Sie
anrufen.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass –«
Ihre Worte verpufften, er hatte die Tür schon hinter sich
geschlossen.
Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Sie hatte
nicht den leisesten Zweifel, dass sie wieder von ihm hören
würde. Sie hatte noch nie einen Mann kennen gelernt, der
derart entschlossen war, sein Ziel zu erreichen. Selbst wenn
sein erstes Auftreten samtig weich gewesen war, der Stahl
hatte durchgeschimmert. Nun gut, sie hatte sich schon
früher mit Machttypen herumgeschlagen. Sie musste
einfach auf ihrem Standpunkt beharren, dann würde John
Logan irgendwann aufgeben und sie in Ruhe lassen. Sie stand auf und trat an den Sockel. »So intelligent kann
er gar nicht sein, Mandy. Er wusste nicht einmal, dass du ein
Mädchen bist.« Nicht dass viele Leute es gewusst hätten. Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte.
Mom? Ihr Wagen hatte neulich Probleme mit der
Zündung gehabt.
Es war nicht ihre Mutter.
»Mir ist da noch was eingefallen, als ich beim Wagen
ankam«, sagte Logan. »Ich dachte, ich lege noch was auf
das ursprüngliche Angebot drauf, um Ihnen die
Entscheidung zu erleichtern.«
»Da gibt’s nichts zu entscheiden.«
»Fünfhunderttausend für Sie. Fünfhunderttausend für den
Adam Fund, die Stiftung für verschwundene und weggelaufene Kinder. Soweit ich weiß, spenden Sie einen Teil Ihrer Honorare an diese Stiftung.« Er senkte vertraulich die Stimme. »Ist Ihnen klar, wie viele Kinder mit diesem Geld
wieder nach Hause gebracht werden könnten?«
Das wusste sie besser als er. Einen verlockenderen
Köder konnte er ihr nicht hinwerfen. Mein Gott,
Machiavelli hätte von ihm lernen können.
»All diese Kinder. Sind sie nicht zwei Wochen Ihrer Zeit
wert?«
Sie wären ihr zehn Jahre ihres Lebens wert. »Nicht,
wenn ich dafür etwas Kriminelles tun soll.«
»Ob etwas kriminell ist oder nicht, ist eine Frage des
Standpunkts.«
»Schwachsinn.«
»Ich nehme an, ich soll Ihnen versichern, dass ich nicht
in ein Verbrechen verwickelt bin, das mit dem Schädel zu
tun hat.«
»Warum sollte ich Ihrem Wort Glauben schenken?« »Überprüfen Sie mich. Ich stehe nicht im Ruf eines
Lügners.«
»Der Ruf bedeutet gar nichts. Die Menschen lügen,
sobald es ihnen nötig erscheint. Ich habe hart arbeiten
müssen, um meine Karriere aufzubauen. Ich habe keine
Lust, sie aufs Spiel zu setzen.«
Es herrschte Schweigen. »Ich kann Ihnen
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