Das verlorene Gesicht
nicht
versprechen, dass Sie bei der ganzen Sache nicht ein paar
Kratzer abbekommen, aber ich werde versuchen, Sie zu
schützen, so gut ich kann.«
»Ich kann mich selbst schützen. Ich brauche Ihnen nur
nein zu sagen.«
»Aber Sie sind in Versuchung, stimmt’s?«
Herrgott noch mal, und wie.
»Siebenhunderttausend für die Stiftung.«
»Nein.«
»Ich melde mich morgen wieder.« Er legte auf. Verdammt.
Der Scheißkerl wusste genau, auf welchen Knopf er zu
drücken hatte. All das Geld, das man für die Suche nach
den anderen Verschollenen verwenden konnte, die
vielleicht noch lebten …
Würde es sich nicht doch lohnen, ein Risiko einzugehen,
um wenigstens einige von ihnen wieder nach Hause zu
holen? Ihr Blick wanderte zu dem Sockel hinüber. Mandy
war vielleicht eine, die von zu Hause fortgelaufen war.
Wenn sie eine Möglichkeit gehabt hätte, wieder nach
Hause zu kommen, wäre sie nicht …
»Ich darf es eigentlich nicht machen, Mandy«, flüsterte
sie. »Vielleicht ist es eine ganz üble Geschichte. Keiner
macht mal eben für so eine Sache über eine Million Dollar
locker, wenn es auch nur halbwegs mit rechten Dingen
zugeht. Ich muss es ablehnen.«
Aber Mandy konnte ihr keine Antwort geben. Keiner der
Toten hatte eine Antwort.
Aber die Lebenden hatten eine und Logan hatte sich
darauf verlassen, dass sie ihm zuhören würde.
Mistkerl.
Logan lehnte sich auf dem Fahrersitz zurück. Er hatte den Blick auf Eve Duncans kleines, mit Schindeln gedecktes Haus gerichtet.
Hatte er ihr genug geboten?
Vielleicht. Sie war eindeutig in Versuchung. Sie fühlte sich mit Herz und Seele der Aufgabe verpflichtet, verschwundene Kinder aufzuspüren, und er hatte diesen Punkt ziemlich geschickt getroffen.
Was für einen Mann machte das aus ihm, dachte er müde.
Einen Mann, der etwas erledigen musste. Wenn sie auf sein Angebot nicht einging, würde er es am nächsten Tag noch erhöhen müssen.
Sie war härter, als er angenommen hatte. Knallhart, intelligent und scharfsinnig. Aber sie hatte einen wunden Punkt.
Und es gab keinen Zweifel, dass er sich diesen zunutze machen würde.
»Er ist gerade weggefahren«, sagte Fiske in sein Handy. »Soll ich ihm folgen?«
»Nein, wir wissen, wo er steckt. Hat er Eve Duncan
getroffen?«
»Sie war den ganzen Abend zu Hause und er blieb über
vier Stunden.«
Timwick stieß einen Fluch aus. »Sie wird mitmachen.« »Ich könnte sie aufhalten«, erwiderte Fiske.
»Noch nicht. Sie hat Freunde bei der Kripo. Wir dürfen
kein Aufsehen erregen.«
»Die Mutter?«
»Vielleicht. Das könnte zumindest für eine Verzögerung sorgen. Ich werd’s mir durch den Kopf gehen lassen. Bleiben Sie auf dem Posten. Ich melde mich.«
Feiger Hund, dachte Fiske verächtlich. Die Nervosität in Timwicks Stimme war deutlich zu hören gewesen. Timwick war immer nachdenklich und zögerlich, anstatt den sauberen, einfachen Weg zu nehmen. Man musste sich überlegen, welches Ziel man verfolgte, und dann musste man die nötigen Schritte ergreifen. Wenn er Timwicks Macht und Mittel hätte, gäbe es für sein Handeln keine Einschränkungen. Nicht dass er Lust auf Timwicks Job hätte. Ihm gefiel seine Arbeit. Nicht viele Leute hatten wie er ihre Nische gefunden.
Er lehnte den Kopf gegen die Rücklehne und starrte auf das Haus.
Es war nach Mitternacht. Die Mutter müsste bald nach Hause kommen. Er hatte die Verandalampe schon herausgeschraubt. Wenn Timwick ihn jetzt gleich anriefe, müsste er nicht ins Haus gehen.
Wenn sich der Wichser nur zu der einzig intelligenten und einfachen Lösung durchringen könnte und Fiske beauftragen würde, sie zu töten.
Kapitel 3
» Du weißt doch genau, dass du es tun wirst, Mama « , sagte Bonnie. » Ich verstehe nicht, warum du dir so viele Sorgen machst. «
Eve setzte sich in ihrem Bett auf und blickte zum Fenstersitz. Wenn Bonnie auftauchte, saß sie jedesmal auf dem Fenstersitz, in Jeans und die Beine übereinander geschlagen.
» Ich weiß überhaupt nichts davon. «
» Du wirst dir nicht selbst helfen können. Vertraue auf mich. «
» Da ich dich nur träume, kannst du nicht mehr wissen als ich. «
Bonnie seufzte. » Ich bin nicht dein Traum. Ich bin ein Geist, Mama. Wie kann ich dich nur davon überzeugen? Ein Geist zu sein sollte eigentlich nicht so anstrengend sein. «
» Du kannst mir erzählen, wo du bist. «
» Ich weiß nicht, wo er mich verscharrt hat. Ich war nicht mehr dabei. «
» Hört sich logisch an. «
» Mandy weiß es auch nicht. Aber sie mag dich. «
» Wenn sie bei
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