Das verlorene Gesicht
»Aber die Sache mit Kessler habe ich außergewöhnlich gut inszeniert. Interessieren Sie sich für die Details?«
Schweigen. »Ich habe Ihnen gesagt, welche Resultate ich will. Die Details interessieren mich nicht.«
Auch noch zimperlich. »Ich habe Kessler lange genug am Leben gelassen, damit er sie anrufen konnte. Das war gar nicht so leicht, mit den Messern in –«
»Ich will es nicht wissen. Und vergessen Sie nicht, dass Eve Duncan nur noch damit unter Druck gesetzt werden kann. Vermasseln Sie das nicht, Fiske.«
»Sie klingen allmählich wie Timwick.«
Schon wieder Schweigen. »Tut mir Leid. Ich überlasse die
Sache Ihnen. Ich weiß, Sie werden mich nicht enttäuschen.« Sie legte auf.
Dieser verdammte Schädel schon wieder, der ihm die Hände band und ihn davon abhielt, seinen Job zu erledigen.
Er beugte sich vor und öffnete das Handschuhfach. Er hatte reichlich Zeit, um seine Liste auf den neuesten Stand zu bringen. Voller Genugtuung strich er Gary Kesslers Namen durch.
8.35 Uhr
Als sie vor dem Ferienhaus, in dem ihre Mutter wohnte, hielten, sprang Eve aus dem Wagen.
»Warte.« Joe stand neben ihr und schob sie beiseite. »Ich gehe zuerst rein.«
Er war auch zuerst in das Motelzimmer gegangen und hatte Gary gefunden. »Nein. Mom!«
Keine Antwort.
Dann rief Sandra: »Alles in Ordnung, Eve. Pilton lässt mich nicht raus, aber es ist alles in Ordnung.«
Vor Erleichterung wurde Eve beinahe übel. »Wir kommen rein.«
Logan hatte hinter Joe geparkt. »Alles okay?«
»Anscheinend.« Joe suchte die Umgebung mit den Augen ab. »Vielleicht. Gehen Sie rein und vergewissern Sie sich, dass sie reisefertig sind. Ich bleibe hier draußen.«
Logan folgte Eve auf die Veranda.
»Moment. Wo ist der Schädel, Logan?«, fragte Joe.
»Auf dem Beifahrersitz. Halten Sie ihn im Auge.«
»Mach ich.« Joes Blick blieb auf die Bäume geheftet. »Beeilen Sie sich und sehen Sie zu, dass alle in die Wagen steigen.«
Er war hier.
Gott, er konnte ihn beinahe riechen, dachte Joe. Das Blut riechen, die Gier.
Seine Nerven witterten Fiskes Gegenwart. Es war, als
wäre er in seine Vergangenheit zurückkatapultiert worden, in die Zeit, als er legal getötet hatte. Fiske kannte diese Welt. Er war jetzt da draußen, gut ausgerüstet, bereit. Um was zu tun?
Einen Dynamitstab auf das Haus zu werfen?
Sie alle der Reihe nach mit einem Scharfschützengewehr abzuknallen, wenn sie aus dem Haus kamen?
Wenn er Letzteres plante, würde Joe das erste Ziel sein. Der Wächter war immer der Erste, der dran glauben musste.
Aber Fiske würde nicht frei agieren können. Seine Befehle konnten nicht einfach lauten, alle zu töten.
Der Schädel.
Joe lächelte grimmig. Dann wollen wir doch mal sehen. Machen wir den Jäger zum Gejagten.
Siehst du zu, Fiske?
Er zog seine Jacke aus, langte in Logans Wagen und nahm den ledernen Koffer heraus, der den Schädel enthielt.
Köder, Fiske.
Er hielt den Koffer über den Kopf.
Siehst du das?
Er lief los und rannte im Zickzack durch die Büsche auf den Wald zu. Komm und hol ihn dir, du Bastard. Fiskes Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Der Hurensohn provozierte ihn. Und zwar mit diesem ledernen Koffer, in dem sich der Schädel befinden musste.
Er sah Quinn durch das Gelände laufen. Er wusste, was er tat, und er war gut. Er würde kein leichtes Opfer sein.
Erregung und Gier packten ihn. Das Miststück Chadbourne hatte ihm aufgetragen, ihr den Schädel zu beschaffen. Erste Priorität. Er hatte ja nicht geahnt, dass die Priorität ihm so eine interessante Herausforderung bescheren würde.
Er lief los, um Quinn den Weg abzuschneiden.
»Margaret, Sie fahren mit Pilton im Van«, sagte Logan, als er die Stufen hinunterging. »Wir nehmen Sandra mit.«
»Soll ich zurück nach Sanibel fahren?«, fragte Margaret. »Wann werden Sie sich wieder bei mir melden?« »Sobald wir alle in Sicherheit sind«, antwortete Logan.
»Ich werde Quinn ein Treffen mit diesem Journalisten vom –«
»Wo ist Joe?« Eve blieb auf der obersten Stufe stehen. »Er muss hier irgendwo sein.« Logan schaute sich um. Eve blickte zum Wagen hinüber.
Kein Joe.
Ihr Herz klopfte so heftig, dass es schmerzte. »Fiske.« »Ich glaube kaum, dass es Fiske gelungen ist, ihn zu
überraschen«, sagte Logan. »Quinn ist clever.«
»Er hat Gary überrascht.«
»Quinn ist nicht Gary. Er ist kein Opfertyp. Wahrscheinlich hat er eher –« Logan ging auf seinen Wagen zu. »Dieser Mistkerl.«
»Was ist?«
»Der Koffer. Quinn hat den Koffer
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