Das verlorene Gesicht
wie wild falsche Spuren gelegt.«
»Nicht wie wild. Ich habe sehr hart daran gearbeitet, um diese Lüge plausibel erscheinen zu lassen. Es durfte nicht herauskommen, dass ich Donnellis Behauptung überprüfen lassen wollte, und dazu brauchte ich eine glaubwürdige Geschichte. Darum habe ich die falsche Spur zu Kennedy gelegt. Diese Leute sollten nicht wissen, ob ich Verdacht geschöpft hatte oder einfach ein verrückter Irrer bin. Gleichzeitig habe ich diskret nach einem forensischen Rekonstrukteur suchen lassen, dem einzigen Menschen, der herausfinden konnte, ob Donnelli die Wahrheit gesagt hatte.«
»Ich.« »Ja, Sie waren die Schlüsselfigur, die ich brauchte.«
Ihr Blick wanderte zu Jimmys Schädel zurück. Nein, das war nicht länger Jimmy. Das war Ben Chadbourne, der Präsident der Vereinigten Staaten. Sie schüttelte den Kopf. »Das ist alles völlig verrückt. Als Sie mir erzählten, was sich in Donnellis Beerdigungsinstitut abgespielt hat, nahm ich an, das sei schon vor Jahrzehnten passiert. Und Sie wollten, dass ich das annehme.« »Ja. Es liegt aber nur zwei Jahre zurück.«
»Lüge.«
»Es war wichtig, dass Sie vollkommen unvoreingenommen waren. Nur so konnte garantiert sein, dass Sie genau das Gesicht rekonstruieren würden, das zu diesem Schädel gehört.« Er betrachtete Chadbournes Gesicht. »Es war wie ein Wunder, Ihnen bei der Arbeit zuzusehen, wie Sie diesen Schädel zum Leben erweckt haben. Ich war mir fast sicher, dass er es war, und mit jedem Arbeitsschritt –«
»Wie ist er ums Leben gekommen? Mord?« »Wahrscheinlich. Es würde ins Bild passen.« »Und dieser Mann im Weißen Haus ist ein Double?« Er nickte. Sie schüttelte den Kopf. »Es ist einfach grotesk. Das
könnte man weder mit Chadbourne noch mit Kennedy durchziehen. Das Amt ist zu sehr im Blickfeld der Öffentlichkeit.«
»Aber es ist geschehen.« »Timwick?« »Er ist der Drahtzieher.« »Für wen?« »Chadbournes Frau. Sie muss hinter der ganzen Sache
stehen. Sie ist die Einzige, die die Macht hat, ein Double zu schützen und zu betreuen.«
Lisa Chadbourne. Eve erinnerte sich, sie bei einer Pressekonferenz gesehen zu haben; sie hatte an der Seite gestanden, den Blick liebevoll auf ihren Mann gerichtet. »Und sie soll ihn ermordet haben?«
»Möglich. Das wissen wir erst, wenn wir herausfinden, was mit Chadbourne geschehen ist.« »Welches Motiv könnte sie denn haben?« »Ich weiß es nicht. Ehrgeiz vielleicht. Sie ist intelligent und gewieft, und sie weiß, wie man eine Situation manipuliert. Sie hat Jura studiert und als Anwältin in einer renommierten Kanzlei gearbeitet. Nachdem sie Chadbourne geheiratet hatte, trieb sie ihn an, bis er es ins Weiße Haus schaffte.« Er lächelte boshaft. »Sie ist die perfekte First Lady.« »Ich kann nicht glauben, dass sie es war.« »Das habe ich auch nicht erwartet. Mir ist es selbst schwer gefallen, es zu glauben. Ich bin ihr mehrere Male begegnet und sie war mir sympathisch. Diese Kombination aus Charme und Intelligenz kann sehr entwaffnend sein.« Eve schüttelte den Kopf. »Ich mute Ihnen zu viel auf einmal zu. Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr Zeit geben, das alles zu verarbeiten. Aber uns bleibt fast keine Zeit mehr.« Er stand auf. »Also gut, glauben Sie nicht, dass Lisa Chadbourne dahinter steckt. Glauben Sie, es ist jemand anders. Aber Sie müssen zugeben, dass sie in die Verschwörung eingeweiht sein muss, damit sie funktioniert?« »Das … ist nahe liegend.« Sie warf einen Blick auf den Schädel. »Aber was ist, wenn das nicht Chadbourne ist? Was ist, wenn das da das Double ist?« »Es ist Chadbourne.« »Weil Sie das glauben wollen?« »Weil er es ist. Es ist das Einzige, was einen Sinn ergibt.« Er schwieg einen Augenblick. »Weil es James Timwick war, der die Leiche bei Donnelli abgeliefert hat.« »Wieso können Sie dessen sicher sein? Donnellis Vater könnte Sie belegen haben.« »Natürlich könnte er das. Er scheint ein echter Schuft gewesen zu sein. Aber er war kein dämlicher Schuft. Er hatte es mit ziemlich gefährlichen Leuten zu tun und er musste sich schützen. Sein Krematorium war mit Überwachungskameras ausgerüstet. Er hat Timwick auf Video.« Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Das war Teil des Erbes, das er seinem Sohn hinterlassen hat, und damit wurde ich geködert. Wegen dieses Videobandes habe ich Gil gebeten, der Sache nachzugehen.« »Wenn Sie ein Band mit einer solchen Beweiskraft besäßen, brauchten Sie keine weiteren
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