Das verlorene Gesicht
Beweise. Sie hätten es den Behörden oder den Medien übergeben können und –« Er schüttelte den Kopf. »Es war nicht beweiskräftig genug. Keine Details. Kein ›Hey, ich bin James Timwick und ich lasse gerade den Präsidenten der Vereinigten Staaten verbrennen‹. Sie sprachen nur über belangloses Zeug, während sie im Krematorium waren. Timwick befiehlt einem seiner Männer, bei der Leiche mit anzupacken. Einmal bittet er Donnelli um einen Stuhl, damit er sich setzen kann. Offenbar hatte der arme Mann einen harten Tag hinter sich und war müde. Solche Dinge halt.« »Und woher wissen Sie dann, dass Timwick auf dem Video ist?« »Ich habe ihn einmal kennen gelernt. Er ist Chef des Geheimdienstes und nimmt häufig an Empfängen von Chadbourne teil und er –« »Geheimdienst. Sie haben doch behauptet, er sei ein hohes Tier im Finanzministerium.« Ihr Mund wurde hart. »Ach ja, der Secret Service ist Teil des Finanzministeriums. Noch so ein kleines Ablenkungsmanöver.« »Sorry. Timwick durchlief eine beachtliche Karriere und spielte eine Schlüsselrolle bei der Wahl von Chadbourne. Er hat eine auffällige Stimme. Er stammt aus Massachusetts und sein Akzent ist ziemlich unverkennbar. Ich hatte so ein Gefühl, dass er es war, und nachdem Donnelli mir das Video geschickt hatte, sah ich mir ein paar Videos von Chadbournes Wahlkampf an, um einen Vergleich zu machen. Es war nicht besonders schwer. Timwick bleibt nicht gern im Hintergrund. Ich glaube, er war enttäuscht, dass Chadbourne ihm keinen Posten im Kabinett übertragen hatte.« »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich diese Leute von Donnelli erpressen ließen. Warum haben sie ihn nicht einfach gezwungen, den Schädel herauszurücken?« »Er erklärte ihnen, er hätte eine Kopie des Videos und eine schriftliche Aussage bei einem Rechtsanwalt hinterlegt, der beides sofort an die Medien übergeben würde, falls Donnelli verschwinden oder eines unnatürlichen Todes sterben sollte.« »Und dann starb er an einem Herzinfarkt und sein Sohn verschwand.« »Aber damit hatten sie nichts zu tun, also nahmen sie an, Donnelli junior hätte ein besseres Geschäft gemacht. Ich kann mir vorstellen, dass sie ausgiebig nach ihm gesucht haben. Ich bin äußerst vorsichtig vorgegangen, aber irgendetwas könnte sie zu der Annahme gebracht haben, dass ich mit Donnelli Kontakt aufgenommen habe.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht auch nicht. Vielleicht haben sie auch nur ganz allgemein nach irgendetwas Verdächtigem Ausschau gehalten und ich habe den Alarm ausgelöst.« »Es ist einfach unglaublich. Warum sollten sie Chadbourne aus dem Weg geschafft haben?« »Ich habe keine Ahnung, ich kann nur raten. Lisa Chadbourne ist eine außergewöhnliche Frau. Manche Leute behaupten, sie hätte einen besseren Präsidenten abgegeben als ihr Mann. Aber die vorherrschende Meinung besagt, dass die Öffentlichkeit noch nicht bereit ist, eine Präsidentin zu akzeptieren, also muss sie hinter den Kulissen agieren. Es wird ziemlich an ihr genagt haben, sich immer im Hintergrund halten zu müssen. Und Ben Chadbourne selbst war eine starke Persönlichkeit. Vielleicht wollte sie mehr Macht über ihn haben. Mehr Macht über das Land.« »Das sind eine Menge ›Vielleichts‹.« »Sie sind alles, was ich Ihnen zu bieten habe. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich glaube, dass es passiert ist. Würden Sie mir einen Gefallen tun? Gehen Sie in die Bibliothek und legen Sie die Videobänder ein, die sich in der obersten Schreibtischschublade befinden. Es sind drei darunter mit Reden und Pressekonferenzen, die Chadbourne kürzlich gehalten hat. Ich habe sie als Vergleichsmaterial zusammengestellt. Es würde mich freuen, wenn Sie sich die Bänder aufmerksam ansehen würden.« »Und was werde ich Ihrer Meinung nach darauf entdecken?« »Sehen Sie sie sich einfach an.« »Das ist verrückt. Das ist ja wie –« »Was kann es schon schaden?« Sie schwieg einen Moment, dann nickte sie. »In Ordnung.« Sie ging auf die Tür zu. »Ich werde sie mir ansehen.« Kaum war sie gegangen, trat Logan an den Arbeitstisch und rief Gil im Kutscherhaus an. »Sie ist fertig. Es ist Chadbourne.« Gil stieß einen leisen Fluch aus. »Ich weiß nicht, warum mich das schockiert. Schließlich hatten wir damit gerechnet.« »Verdammt, ich habe ihr bei der Arbeit zugesehen und mir ist es genauso ergangen.« »Wie hat sie es denn aufgenommen?« »Nimm deine Reaktion mal tausend, dann kannst du es dir ungefähr vorstellen. Sie weiß
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