Das verlorene Ich
ein Name. Um herauszufinden, ob es auch wirklich der seine war, deshalb war der Mann nach Paris gekommen. Und auch um zu erfahren, welche Art von Leben dieser Hector Landers führte - oder geführt hatte.
Für den Moment genügte ihm die Wahrscheinlichkeit, daß er selbst Hector Landers war. Weil es sich dabei offensichtlich um einen überaus betuchten Mann handelte. In Landers' römischem Wohn- und Firmensitz hatte er Kreditkarten gefunden, die er seither nutzte - und die ihm den Zugriff auf ein Vermögen erlaubten, das beträchtlich zu sein schien. Zumindest hatte es bislang keinerlei Probleme in dieser Hinsicht gegeben.
In Rom hatte man ihn ebenfalls als Hector Landers identifiziert; wenigstens hatte die Überprüfung seiner Fingerabdrücke ergeben, daß er der Mann dieses Namens sein mußte. Damit hatte die Suche nach seiner Vergangenheit sehr viel eher zu einem ersten Ergebnis geführt, als er es zu hoffen gewagt hatte.
Denn als er in jenem Kloster nördlich von Rom erwacht war, war er nackt in jeglicher Hinsicht gewesen: physisch wie auch psychisch. Sein Wissen um die Welt an sich war zwar ungetrübt gewesen, an sein eigenes Leben jedoch, daran, wer er eigentlich war, hatte er sich nicht im mindesten erinnern können! Als hätte er ein Leben zuvor nie geführt. 1
Ein Dilemma, das er geteilt hatte und noch teilte. Das gleiche Schicksal nämlich war auch einer jungen, ausgesprochen ansehnlichen Frau widerfahren. Ihm gegenüber hatte sie jedoch den Vorteil besessen, daß man ihr noch vor der Zerstörung des mysteriösen Klosters ihren Namen genannt hatte: Lilith Eden.
Die Spur nach Sydney, auf die sie in Landers' römischem Domizil gestoßen waren, hatte zumindest ihren Vornamen bestätigt, und so trennten sich, nach einer leidenschaftlichen Nacht, ihrer beider Wege: Während Lilith ihrer eigenen Fährte nach Australien gefolgt war, hatte Hector Landers sich gen Paris aufgemacht. Die Spur, die er gefunden hatte, führte in die Hauptstadt Frankreichs. Ob es tatsächlich eine in sein eigenes Leben war, würde er herausfinden müssen.
Denn es war nicht sehr viel mehr als der Name und die Anschrift eines Mannes, was er gefunden hatte. Beides hatte auf einer Kreditkarte gestanden, die wiederum in einer Brieftasche im Wandsafe gesteckt hatte. Zusammen mit weiteren persönlichen Dingen - einem Ring, einer gravierten goldenen Uhr und ähnlichen Sachen - und verpackt in einem Kunststoffbeutel.
Lilith hatte er nichts von seinem Fund erzählt. Er wußte nicht einmal recht, weshalb nicht. Womöglich war ihre Bindung viel weniger eng, als sie bislang angenommen hatten. Vielleicht hatten sie sich nur aneinander gebunden gefühlt, weil ihr Schicksal sie verband .
Die erste Nacht in Paris hatte Hector Landers im Abbatial Saint-Germain, einem Hotel nahe der Türme Notre-Dames, zugebracht - - schlaflos!
Als hätte etwas im Schatten Notre-Dames ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. Am Morgen hatte er sein Quartier hier aufgegeben und war umgezogen ins Plaza Athenee in der Avenue Montaigne.
Der Zimmerservice hatte ihm unaufgefordert Frühstück in der Suite serviert, das Hector Landers unangetastet ließ. Noch immer schien er keinen Hunger zu kennen. Und den eigenartigen Durst, den er seit Beginn seines erinnerungslosen Daseins immer stärker verspürte, vermochte nichts von dem zu löschen, was vor ihm stand: weder Kaffee noch Tee, nicht frisch gepreßte Säfte noch Mineralwasser oder Milch.
Er entsann sich der Ereignisse in Rom. Dort hatte er geglaubt, ohne es konkretisieren zu können, eine Spur dessen gefunden zu haben, was ihm den Durst stillen könnte. Über der weiteren Entwicklung der Dinge jedoch - des Unfalls, in den Lilith und er verwickelt worden waren - hatte diese Ahnung ihn verlassen. Und so war dieses Rätsel nur ein weiterer Punkt auf der Liste von Fragen, auf die er in der Vergangenheit Hector Landers' Antworten zu finden hoffte.
Er zwang sich, diesen Überlegungen nicht länger zu folgen. Denn sie führten ihn nur zu einem Punkt, vor dem ihm graute. Denn alles, was er bislang wußte und an sich selbst hatte beobachten müssen, verriet ihm eines mit quälender Deutlichkeit: Er schien alles andere denn ein normaler Mensch zu sein!
Eher schon das, was die Menschen einen Freak nannten!
Weder warf sein Körper einen Schatten, noch zeigte er ein Spiegelbild; er war nicht darauf angewiesen, zu essen, und noch nicht einmal Schlaf schien dieser Körper wirklich nötig zu haben.
Und dann war da noch dieser ganz
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