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Das verlorene Ich

Das verlorene Ich

Titel: Das verlorene Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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hinaufführte, verhielt Landers und hob den Blick. Riesig wuchs die Fassade, deren Putz an vielen Stellen nur noch vom Efeu gehalten wurde, vor ihm empor. Die Fenster starrten blinden Augen gleich auf ihn nieder, als wollten sie ihn mit ihrer düsteren Ausstrahlung vertreiben - keinesfalls jedoch erkennen oder gar willkommen heißen.
    Seufzend stieg Landers die Stufen hinauf. Auch hier war kein Namensschild zu entdecken, zumindest aber fand er einen grünspanbedeckten Klingelknopf und drückte ihn. Hinter der wuchtigen Tür klang Läuten auf, laut und dumpf wie von Kirchenglocken. Landers erschauerte. Das Läuten kam ihm so hallend vor, als wären die Räume des Hauses allesamt leer.
    Schließlich verebbten die Echos doch, und wieder geschah eine Weile lang nichts. Landers wollte gerade ein weiteres Mal läuten, als er innehielt.
    Schritte! Langsam und müde schlurfend, aber lauter werdend. Hinter der Tür verstummten sie schließlich, und tatsächlich wurde ihm endlich aufgetan.
    Von einer Mumie!
    Im allerersten Moment fürchtete Hector Landers, die dürre, lederhäutige Gestalt würde ihm entgegenkippen. Schwankend wie ein verkrüppeltes Bäumchen im Wind stand das Männlein vor ihm. Die Zeit, da ihm seine dunkle Livree gepaßt hatte, mußte lange zurückliegen. Jetzt umschlotterte sie seinen mageren Leib. Die Augen waren vom trüben Glanz alter Münzen. Wie von einem Blinden fühlte Landers sich angestarrt.
    »Sie wünschen?« fragte der Hausdiener nach einer kleinen Ewigkeit.
    Hector Landers flüchtete sich in ein verlegenes Räuspern. Er hatte die Gunst des Moments genutzt, um einen Blick an dem Alten vorbeizuwerfen, jedoch kaum etwas erkannt aus flackerndem Glosen und Schatten.
    »Ich hätte gerne den Herrn des Hauses gesprochen«, sagte er dann.
    »Den Herrn des Hauses?« echote der andere mit raschelnder Stimme.
    »Ja«, nickte Landers. »Dies ist doch das Haus Jerome Vautiers?«
    »Dies war das Haus Monsieur Vautiers.«
    »War? Ist er fortgezogen?« Landers klang enttäuscht, dann hakte er nach: »Kennen Sie seine neue Adresse?«
    »Peres-Lachaise.«
    »Danke«, erwiderte Hector Landers. »Wenn Sie noch die Freundlichkeit hätten, mir den Weg -«
    Der Alte schüttelte den Kopf, eher ein vorsichtiges Wiegen, als fürchtete er, sein dürrer Hals würde einer heftigeren Bewegung nicht mehr standhalten. »Nein?« fragte Landers. »Der Weg lohnt nicht.« »Weshalb nicht?«
    »Ich sehe, Sie sind fremd«, entgegnete der Hausdiener. »Peres-Lachaise ist ein Friedhof.« Er lächelte häßlich, ohne Absicht. »Sie meinen, Jerome Vautier -?«
    »- ist tot. Seit annähernd zwanzig Jahren.«
    * Der steinalte Mann hielt Hector Landers' Enttäuschung für Trauer. »Sie wußten nichts vom Tod des Herrn?« Landers schwieg.
    »Waren Sie befreundet?« fragte der Diener weiter. »Äh ... ja, befreundet«, erwiderte Landers geistesabwesend. »Merkwürdig, daß Sie dann von seinem Tod nicht unterrichtet waren.« Der Diener lächelte lauernd.
    »Wir waren . alte Freunde, wissen Sie?« Landers lächelte verlegen. Der Diener schien es nicht zur Kenntnis zu nehmen, und in Landers wuchs die Überzeugung, daß der andere tatsächlich blind war.
    »Lebt denn sonst noch jemand hier?« fragte er dann. »Naturellement. Madame.«
    Landers wagte einen Schuß ins Blaue. »Madame Simone?« Dieser Name war in jene goldene Uhr, die er im Safe vorgefunden hatte, eingraviert: Ewig Dein. Simone ... »Oui.«
    »Dürfte ich denn mit ihr sprechen?« fragte Landers ungeduldig. »Ich fürchte nein.« Die Stimme des Alten klang nicht wirklich bedauernd. »Madame empfängt kaum Besucher.«
    »Teilen Sie ihr mit, Hector Landers wolle sie sprechen. Wir werden sehen, was dann geschieht.« Landers Worte waren hörbar keine Bitte.
    »Sie werden sehen«, murmelte der Alte, wandte sich um und tauchte schlurfend ins Halbdämmer jenseits der Schwelle ein. Seine tastenden Hände streiften haltsuchend umher. Landers folgte ihm unaufgefordert und schloß die Tür.
    Schlagartig verdichteten sich die Schatten ringsum noch. Landers brauchte ein, zwei Sekunden, dann hatten seine Augen sich an die herrschenden Sichtverhältnisse gewöhnt. Sie nutzten das wenige Licht, das ausnahmslos von Kerzenleuchtern herrührte, die so weit voneinander entfernt standen, daß ihre goldenen Aureolen einander nicht berührten und dunkle Inseln dazwischen blieben. Wenn auch nicht für Hector Landers' besondere Sichtweise.
    Er fand sich inmitten einer erstaunlich geräumigen Eingangshalle

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