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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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selbst zu sein. Niemandes Tochter, niemandes Schwester, niemandes Gattin. Sie hatte immer geglaubt, dass ihr Vater das tief in seinem Herzen verstand. Sosehr es sie auch schmerzte, ihm gegenüber ungehorsam zu sein, auf diese Augenblicke der Freiheit wollte sie nicht verzichten.
    Meistens drückten die Männer der Nachtwache ein Auge zu, wenn Alaïs kam und ging. Zumindest bisher. Doch seit Kriegsgerüchte die Runde machten, waren sie vorsichtiger geworden. Nach außen hin nahm das Leben nach wie vor seinen gewohnten Gang, und auch die Berichte der Flüchtlinge, die hin und wieder in der Cité eintrafen, über Angriffe und Verfolgungen von Andersgläubigen, beinhalteten nichts Ungewöhnliches. Vor Überfällen von räuberischen Banden, die wie ein Sommergewitter aus heiterem Himmel zuschlugen, war niemand gefeit, der nicht im Schutze einer Stadt oder eines Dorfes mit Festungsmauern wohnte.
    Guilhem schienen die Kriegsgerüchte nicht sonderlich zu beunruhigen, zumindest nicht, soweit Alaïs das sagen konnte. Er sprach nicht mit ihr über derlei Dinge. Ihre Schwester Oriane behauptete jedoch, eine französische Armee aus Kreuzfahrern und Kirchenmännern würde sich für den Angriff auf das Pays d'Oc rüsten. Außerdem hatte sie gesagt, der Papst und der französische König stünden hinter dem geplanten Feldzug. Alaïs wusste aus langjähriger Erfahrung, dass Oriane ihr mit solchen Geschichten oft nur Angst machen wollte. Andererseits schien ihre Schwester vieles früher als sonst jemand am Hofe zu wissen, und es war nicht zu bestreiten, dass die Zahl der Boten, die im Château ein und aus gingen, tagtäglich zunahm. Ebenso unbestreitbar war, dass die Falten im Gesicht ihres Vaters in letzter Zeit tiefer und dunkler und seine Wangen hohler geworden waren.
    Die sirjans d'arms am Osttor waren noch wachsam, obwohl ihre Augen nach einer langen Nacht rot gerändert waren. Sie hatten ihre gedrungenen Silberhelme weit nach hinten geschoben, und ihre Kettenhemden sahen im fahlen Morgenlicht matt aus. Die Schilde hatten sie nachlässig über die Schulter gehängt, und ihre Schwerter steckten in der Scheide. Sie sahen eher schlafbereit als kampfbereit aus.
    Als Alaïs sich ihnen näherte, war sie froh, Bérenger zu erkennen. Als er sie sah, grinste er und neigte den Kopf.
    » Bonjorn , Dame Alaïs . Ihr seid heute früh auf den Beinen.«
    Sie lächelte. »Ich konnte nicht mehr schlafen.«
    »Fällt Eurem Ehemann nichts ein, wie er Euch nachts beschäftigen kann?«, warf der andere mit einem anzüglichen Zwinkern ein. Er hatte ein pockennarbiges Gesicht und abgekaute, blutige Fingernägel. Sein Atem roch ranzig nach Essen und Bier.
    Alaïs achtete nicht auf ihn. »Wie geht es deiner Frau, Berenger?«
    »Sehr gut, Dame Alaïs . Schon fast wieder ganz die Alte.«
    »Und dem Kleinen?«
    »Wird von Tag zu Tag größer. Der frisst uns noch die Haare vom Kopf, wenn wir nicht aufpassen!«
    »Offensichtlich ganz der Vater«, sagte sie und piekste ihn in den ausladenden Bauch.
    »Das sagt meine Frau auch.«
    »Bestellst du ihr bitte Grüße von mir, Berenger?«
    »Sie wird sich freuen, dass Ihr an sie denkt, Dame Alaïs .« Er zögerte kurz. »Und jetzt soll ich Euch wohl durchlassen?«
    »Ich will nur in die Ciutat, vielleicht noch hinunter zum Fluss. Ich bin bald zurück.«
    »Wir dürfen niemanden durchlassen«, knurrte sein Kamerad. »Befehl von Intendant Pelletier.«
    »Dich hat keiner gefragt«, zischte Berenger. »Darum geht es nicht, Dame Alaïs «, sagte er mit leiserer Stimme. »Aber Ihr wisst doch, wie die Dinge zurzeit stehen. Wenn Euch etwas zustößt und herauskommt, dass ich Euch durchgelassen habe, würde Euer Vater ...«
    Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie sanft. »Aber es besteht kein Grund zur Sorge, wirklich. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Und überhaupt...« Alaïs schielte zu dem anderen Wachposten hinüber, der sich jetzt in der Nase bohrte und dann die Finger am Ärmel abwischte, »... am Fluss kann mir bestimmt nichts Schlimmeres passieren als das, was du hier alles durchmachst!«
    Berenger lachte. »Versprecht mir, dass Ihr Euch vorseht, e?« Alaïs nickte und öffnete ihren Mantel ein Stück, um ihm das Jagdmesser an ihrem Gürtel zu zeigen. »Das werde ich. Versprochen.«
    Sie musste durch zwei Tore hindurch. Berenger entriegelte sie nacheinander, dann hob er den schweren Eichenbalken, der das äußere Tor sicherte, und zog es so weit auf, dass Alaïs

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