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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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bestimmt schimpfen würde, wenn sie nach Hause kommt und merkt, dass ich ungehorsam war, deshalb bin ich nach Hause gelaufen. Und da habe ich ...« Er brach ab, und die bernsteinfarbenen Augen brannten in seinem weißen Gesicht. »Ich hab gleich gewusst, dass sie es ist. Sie war vor dem Tor zusammengebrochen. Ihre Füße haben geblutet, als wäre sie sehr weit gegangen.« Sajhë blickte zu Alaïs hoch. »Ich wollte Euch holen, Dame Alaïs , aber ich habe es nicht gewagt. Mit Gastons Hilfe hab ich sie hier runtergebracht. Ich hab versucht, mich zu erinnern, was sie machen würde, welche Salben sie nehmen würde.« Er zuckte die Achseln. »Ich hab's so gut gemacht, wie ich konnte.«
    »Du hast deine Sache ganz ausgezeichnet gemacht«, sagt Alaïs mit voller Überzeugung. »Esclarmonde ist bestimmt sehr stolz auf dich.«
    Eine Bewegung auf dem Lager ließ sie beide aufmerken, und sie drehten sich sofort um.
    »Esclarmonde«, sagt Alaïs . »Könnt Ihr mich hören? Wir sind beide hier. Ihr seid in Sicherheit.«
    »Sie will etwas sagen.«
    Alaïs sah, wie Esclarmondes Hände aufgeregt zuckten. »Ich glaube, sie möchte Schreibzeug.«
    Mit Sajhë s Hilfe gelang es Esclarmonde, etwas aufzuschreiben. »Ich glaube, das heißt >Fran c ois<«, sagte Alaïs stirnrunzelnd. »Was bedeutet das?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht soll er uns helfen«, sagte sie. »Hör gut zu, Sajhë . Ich habe schlimme Nachrichten. Simeon ist mit ziemlicher Sicherheit tot. Mein Vater - auch mein Vater ist gestorben.«
    Sajhë nahm ihre Hand. Die Geste war so mitfühlend, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. »Das tut mir so Leid.«
    Alaïs biss sich auf die Lippen, um nicht zu weinen. »Deshalb bin ich es ihm - und auch Simeon und Esclarmonde - schuldig, mein
    Wort zu halten; ich muss irgendwie zu Harif. Ich habe ... « Wieder geriet sie ins Stocken. »Es tut mir Leid, aber ich habe nur noch das Buch der Wörter. Simeons Buch ist verschwunden.« »Aber Intendant Pelletier hat es Euch doch gegeben.«
    »Meine Schwester hat es gestohlen. Mein Gemahl hat sie in unser Gemach gelassen«, sagte sie. »Er ... er hat meiner Schwester sein Herz geschenkt. Ich kann ihm nicht mehr trauen, Sajhë. Deshalb kann ich nicht zurück ins Château. Jetzt, wo mein Vater tot ist, wird sie nichts mehr aufhalten.«
    Sajhë blickte seine Großmutter an, dann wieder Alaïs .
    »Wird sie am Leben bleiben?«, fragte er still.
    »Ihre Verletzungen sind schwer, Sajhë. Sie hat das linke Auge verloren, aber ... es hat sich nicht entzündet. Sie hat einen starken Willen. Sie wird sich erholen, wenn sie es will.«
    Er nickte, wirkte plötzlich älter als seine elf Jahre.
    »Aber ich werde Esclarmondes Buch nehmen, mit deiner Erlaubnis, Sajhë.«
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als würden die Tränen ihn doch noch übermannen. »Auch ihr Buch ist verloren«, sagte er schließlich.
    »Nein!«, sagte Alaïs . »Wie das?«
    »Die Menschen, die ihr das da angetan haben ... sie haben es ihr weggenommen«, sagt er. »Menina hatte es bei sich, als sie sich auf den Weg ins jüdische quartier gemacht hat. Ich habe gesehen, wie sie es aus dem Versteck geholt hat.«
    »Nur noch ein Buch«, sagte Alaïs , jetzt selbst den Tränen nahe. »Dann ist alles verloren. Alles war vergeblich.«
     
    In den folgenden fünf Tagen führten sie beide ein seltsames Dasein.
    Alaïs und Sajhë wagten sich abwechselnd im Schutze der Dunkelheit hinauf auf die Straßen. Es war bald klar, dass es keine Möglichkeit gab, ungesehen aus Carcassonne herauszukommen. Der Belagerungsring war undurchdringlich. Vor jeder Ausfallpforte, an jedem Tor, unter jedem Turm standen Wachen, eine geschlossene Phalanx aus Männern und Stahl rings um die Festung. Tag und Nacht beschossen die Belagerungsmaschinen die Mauern, so dass die Bewohner der Cité schon nicht mehr wussten, ob sie das Geräusch der Geschosse hörten oder nur den Widerhall in ihren Köpfen.
    Es war eine Erleichterung, in den kühlen, feuchten Gang unter der Erde zurückzukehren, wo die Zeit Stillstand und es weder Nacht gab noch Tag.

Kapitel 61
     
    B eschattet von der großen Ulme stand Guilhem in der Mitte des Cour d'Honneur.
    Im Namen des Abtes von Cîteaux war der Comte von Auxerre zu Pferde an der Porte Narbonnaise erschienen und hatte sicheres Geleit für Verhandlungen angeboten. Durch diesen überraschenden Vorschlag hatte Vicomte Trencavel neue Zuversicht gefasst. Sie sprach aus seiner Miene und Haltung, als er seinen Hof davon unterrichtete.

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