Das Verlorene Labyrinth
Erlaubnis.«
Oriane verneigte sich erneut. »Ich danke Euch, Messire.«
Er klatschte in die Hände. »Sattelt die Pferde.«
Oriane hielt sich dicht bei Guilhem, als sie über das verwüstete Land zu dem Zelt des Comte von Nevers ritten, wo die Verhandlungen stattfinden sollten. In der Cité stiegen die Letzten, die noch die Kraft dazu hatten, auf die Mauern und sahen ihnen schweigend nach.
Sobald sie das Lager erreichten, entfernte Oriane sich unauffällig. Ohne auf die lüsternen und zotigen Rufe der Soldaten zu achten, folgte sie François durch ein Meer von Zelten und Farben hindurch, bis sie schließlich vom Grün und Silber von Chartres umgeben waren.
»Da vorn, Herrin«, murmelte François und zeigte auf einen Pavillon, der ein wenig abseits von den anderen stand. Die Soldaten nahmen Haltung an, als sie sich näherten, und hielten ihre Lanzen quer vor den Eingang. Einer von ihnen erkannte François und nickte ihm zu.
»Sag deinem Herrn, dass Dame Oriane, Tochter des verstorbenen Intendanten von Carcassona, hier ist und ihn um Audienz bittet.«
Oriane nahm ein gewaltiges Risiko auf sich. Von François wusste sie, wie grausam und aufbrausend der Mann war, den sie jetzt aufsuchte. Sie spielte mit hohem Einsatz.
»In welcher Angelegenheit?«, wollte der Soldat wissen.
»Meine Herrin wird nur mit Comte d'Evreux selbst sprechen.« Der Mann zögerte, dann zog er den Kopf ein und verschwand im Zelt. Augenblicke später kam er wieder heraus und bedeutete ihnen einzutreten.
Der erste Blick auf Guy d'Evreux war nicht dazu angetan, ihre Angst zu lindern. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, als sie das Zelt betrat. Dann drehte er sich um, und steingraue Augen brannten in seinem bleichen Gesicht. Das schwarze, ölige Haar war im französischen Stil glatt aus der Stirn nach hinten gekämmt. Er sah aus wie ein Habicht, kurz bevor er zuschlägt. »Madame, ich habe schon viel über Euch gehört.« Seine Stimme war ruhig und gelassen, aber dahinter lag ein Hauch von Stahl.
»Ich hatte nicht mit dem Vergnügen gerechnet, Euch persönlich kennen zu lernen. Was kann ich für Euch tun?«
»Ich hoffe, die Frage wird sein, was ich für Euch tun kann, Herr«, sagte sie.
Ehe sie sich's versah, hatte d'Evreux ihr Handgelenk gepackt. »Ich rate Euch, hütet Euch vor Wortgeplänkel mit mir, Dame Oriane. Die bäuerlichen Manieren des Südens werden Euch hier nichts nützen.« Sie spürte, dass François hinter ihr sich nur mühsam beherrschen konnte. »Habt Ihr Neuigkeiten für mich, ja oder nein?«, sagte er. »Sprecht.«
Oriane behielt die Nerven. »So grob behandelt Ihr jemanden, der Euch bringt, was Ihr Euch am meisten wünscht?«, fragte sie mit unverwandtem Blick in seine Augen.
D'Evreux hob den Arm. »Ich könnte das, was ich wissen will, aus Euch rausprügeln. Das würde uns beiden Zeit ersparen.«
Oriane hielt seinem Blick weiter stand. »Dann würdet Ihr aber nur einen Teil von dem erfahren, was ich zu sagen habe«, erwiderte sie so ruhig sie konnte. »Eure Suche nach der Labyrinth- Trilogie hat Euch viel gekostet. Ich kann Euch geben, was Ihr wollt.«
D'Evreux starrte sie einen Augenblick an, dann senkte er den Arm.
»Mut habt Ihr, Dame Oriane, dass muss ich Euch lassen. Ob Ihr auch über Weisheit verfügt, wird sich noch zeigen.«
Er schnippte mit den Fingern, und ein Diener brachte ein Tablett mit Wein. Orianes Hände zitterten so stark, dass sie es nicht wagte, einen Kelch zu nehmen.
»Nein, danke, Messire.«
»Wie Ihr wünscht«, sagte er und bedeutete ihr, Platz zu nehmen. »Was wollt Ihr also?«
»Wenn ich Euch verschaffe, was Ihr sucht, möchte ich, dass Ihr mich bei Eurer Heimkehr mit in den Norden nehmt.« Der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet Oriane, dass es ihr endlich doch gelungen war, ihn zu verblüffen. »Als Eure Gemahlin.«
»Ihr habt bereits einen Gemahl«, sagte d'Evreux und blickte über ihren Kopf hinweg fragend zu François hinüber. »Trencavels Schreiber, wie ich höre. Ist dem nicht so?«
Oriane sah ihn ruhig an. »Mein Gemahl wurde leider getötet. Innerhalb der Mauern gemeuchelt, während er seine Pflicht tat.« »Mein Beileid, ich fühle mit Euch.« D'Evreux legte die Spitzen seiner langen, dünnen Finger aneinander, bildete einen Kirchturm mit den Händen. »Diese Belagerung könnte Jahre dauern. Was macht Euch so sicher, dass ich überhaupt in den Norden zurückkehre?«
»Ich gehe davon aus, Comte d'Evreux«, sagte sie und wählte ihre Worte mit Bedacht, »dass Eure
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