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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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etwas Bestimmtem gesucht?«
    »Schluss jetzt, Alaïs . Das ist weder der rechte Zeitpunkt noch der rechte Ort.«
    Sie öffnete den Mund, wollte nicht so schnell aufgeben, doch dann schloss sie ihn wieder. Das Gespräch war offensichtlich beendet. Sie würde nichts weiter erfahren. Sie wartete besser ab, bis er wieder zum Reden aufgelegt war. Den Rest des Weges schwiegen sie.
    Als das Westtor in Sicht kam, ritt François voraus.
    »Es wäre ratsam, niemandem von unserem kleinen Ausflug zu erzählen«, sagte Pelletier rasch.
    »Nicht einmal Guilhem?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Gemahl erfreut wäre, wenn er erfährt, dass du ohne Begleitung zum Fluss gegangen bist«, sagte er trocken. »Gerüchte verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Du solltest dich jetzt ausruhen und versuchen, den ganzen unangenehmen Vorfall zu vergessen.«
    Alaïs erwiderte seinen Blick mit einer Unschuldsmiene. »Natürlich. Wie Ihr wollt. Ich gebe Euch mein Wort, Vater, dass ich mit niemandem darüber sprechen werde, außer mit Euch.«
    Pelletier zögerte, als habe er den Verdacht, dass sie irgendwas im Schilde führte, dann lächelte er. »Du bist eine folgsame Tochter, Alaïs. Ich weiß, ich kann mich auf dich verlassen.« Unwillkürlich errötete Alaïs.

Kapitel 4
     
    A uf seinem Ausguck auf dem Dach der Taverne wandte sich der Junge mit den bernsteinfarbenen Augen und dem dunkelblonden Haar um und sah nach, wo das Geräusch herkam. Ein Bote galoppierte von der Porte Narbonnaise aus durch die überfüllten Straßen der Cité, ohne Rücksicht auf die Menschen. Männer brüllten, er solle absteigen. Frauen brachten ihre Kinder im letzten Augenblick vor den donnernden Hufen in Sicherheit. Ein paar nicht angekettete Hunde sprangen bellend an dem Pferd hoch und schnappten nach den Hinterbeinen. Der Reiter nahm sie gar nicht zur Kenntnis.
    Das Pferd schwitzte stark. Selbst aus dieser Entfernung konnte Sajhë den weißen Schaum auf dem Widerrist und am Maul erkennen. Er beobachtete, wie der Reiter scharf auf die Brücke einbog, die zum Chateau Comtal führte.
    Um besser sehen zu können, stand Sajhë auf und balancierte waghalsig dicht am Rand der holprigen Dachziegel, als er auf einmal Intendant Pelletier auf einem mächtigen braunen Wallach zwischen den Wachtürmen auftauchen sah. Hinterdrein ritt Alaïs. Sie wirkte aufgeregt, dachte er. Er fragte sich, was wohl geschehen war und woher sie kamen. Sie waren nicht für die Jagd gekleidet.
    Sajhë mochte Alaïs. Wenn sie seine Großmutter Esclarmonde besuchen kam, unterhielt sie sich auch mit ihm, anders als viele Damen vom Hofe, die so taten, als wäre er gar nicht da. Ihnen ging es nur um die Gebräue und Arzneien, die menina, seine Großmutter, für sie zubereiten sollte - um Fieber zu senken, eine Schwellung zu lindern, Geburten einzuleiten oder für Glück in der Liebe zu sorgen.
    Doch in all den Jahren, die er sie nun schon anhimmelte, hatte Sajhë Alaïs noch nie so gesehen wie vorhin. Der Junge rutschte die gelblichen Ziegel bis zum Rande des Daches hinunter und ließ sich vorsichtig herab. Er landete weich auf der Erde, wobei er um Haaresbreite ein Huhn verfehlte, das an einen schiefen Karren gebunden war.
    »He! Pass doch auf!«, schrie eine Frau.
    »Ist ja nichts passiert«, rief er und entwischte gerade noch ihrem Besen.
    Es war Markttag, und die Cité war ein einziges Spiel aus Farben, Gerüchen und Klängen. In jedem Durchgang, jeder Gasse knallten hölzerne Fensterläden gegen Stein, als Diener und Hausbesitzer die Fenster zum Lüften öffneten, bevor die Sonne zu stark wurde. Böttcher sahen ihren Lehrlingen nach, die Fässer holpernd und polternd über das Kopfsteinpflaster rollten und versuchten, vor ihren Rivalen die Schänken zu erreichen. Karren auf dem Weg zum Marktplatz rumpelten schwerfällig über den unebenen Boden, in dem ihre quietschenden Räder ab und an stecken blieben.
    Sajhë kannte jede Abkürzung in der Cité und huschte hin und her zwischen drängelnden Armen und Beinen, wich den klappernden Hufen von Schafen und Ziegen aus, den mit Waren und Körben beladenen Eseln und Maultieren, den Schweinen, die faul und träge durch die Straßen trotteten. Ein älterer Junge mit einem zornigen Ausdruck im Gesicht trieb eine Schar unbändiger Gänse vor sich her. Die Vögel kreischten und bissen sich gegenseitig und schnappten nach den nackten Beinen von zwei kleinen Mädchen, die in der Nähe standen. Sajhë zwinkerte den beiden zu, und um sie zum Lachen zu

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