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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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friedlich. Da stand ihr panier noch immer unter den Bäumen, wo sie ihn stehen gelassen hatte, und die Spitzen der Pflanzen lugten aus den Leinenstreifen hervor.
    Sie stieg aus dem Sattel und reichte François die Zügel, dann ging sie zum Wasser. Ihr Werkzeug lag noch an derselben Stelle, wo sie es zurückgelassen hatte.
    Als die Hand ihres Vaters sie am Ellbogen berührte, fuhr Alaïs zusammen.
    »Zeig mir, wo«, sagte er.
    Wortlos führte sie ihn am Ufer entlang, bis sie zu der Stelle kamen. Zuerst sah sie nichts, und einen Augenblick lang dachte sie, es wäre alles nur ein böser Traum gewesen. Doch da, etwas weiter flussabwärts als zuvor, trieb die Leiche im Wasser zwischen dem Schilfrohr.
    Sie zeigte. »Da, neben dem Beinwell.«
    Zu ihrer Überraschung rief ihr Vater nicht François, sondern warf seinen Mantel ab und watete selbst in den Fluss.
    »Bleib da«, rief er ihr über die Schulter hinweg zu.
    Alaïs setzte sich ans Ufer, zog die Knie ans Kinn und sah zu, wie ihr Vater schnell durch das seichte Wasser pflügte, ohne sich daran zu stören, dass ihm das Wasser über die Stiefelränder lief. Als er die Leiche erreichte, blieb er stehen und zog sein Schwert. Er zögerte einen Augenblick, als wollte er sich innerlich auf das Schlimmste gefasst machen, dann hob er mit der Klingenspitze den linken Arm des Mannes aus dem Wasser. Die verstümmelte Hand, aufgedunsen und blau, blieb kurz darauf liegen, dann glitt sie über die silberne glatte Klinge hinunter zum Heft, als lebte sie noch. Mit einem leisen Platschen fiel sie wieder in den Fluss.
    Pelletier steckte das Schwert zurück in die Scheide, beugte sich vor und drehte die Leiche herum. Der Körper hüpfte im Wasser auf und ab, der Kopf pendelte schwer hin und her, als wollte er sich vom Hals lösen.
    Alaïs wandte sich rasch ab. Sie wollte den Ausdruck des Todes im Gesicht des Unbekannten nicht sehen.
     
    Auf dem Rückweg nach Carcassonne war die Stimmung ihres Vaters sehr verändert. Er war ganz offensichtlich erleichtert, als wäre ihm eine Last von den Schultern gefallen. Er plauderte unbeschwert mit François, und wenn sein Blick den seiner Tochter traf, lächelte er sie liebevoll an.
    Trotz ihrer Erschöpfung und der Frustration, nicht zu verstehen, was da vorhin Wichtiges geschehen war, empfand Alaïs ein Gefühl der Geborgenheit. Genau wie früher, wenn sie mit ihrem Vater ausgeritten war, als sie noch mehr Zeit füreinander hatten.
    Sie bogen vom Fluss ab und ritten wieder bergauf zum Chateau, und schließlich konnte Alaïs ihre Neugier nicht länger zügeln. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und stellte ihrem Vater die Frage, die ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte.
    »Habt Ihr herausgefunden, was Ihr wissen wolltet, Paire?«
    »Das habe ich.«
    Alaïs wartete auf mehr, bis ihr klar wurde, dass sie ihm die Erklärung würde aus der Nase ziehen müssen, Wort für Wort.
    »Aber er war es nicht, habe ich Recht?«
    Ihr Vater warf ihr einen scharfen Blick zu.
    Sie ließ sich nicht beirren. »Aufgrund meiner Beschreibung habt Ihr geglaubt, dass Ihr den Mann vielleicht kennt. Und deshalb wolltet Ihr ihn mit eigenen Augen sehen.« Das Blitzen in seinen Augen verriet Alaïs, dass sie richtig vermutet hatte.
    »Ich hielt es für möglich, dass ich ihn kenne«, sagte er schließlich. »Aus meiner Zeit in Chartres. Ein Mann, der mir teuer ist.«
    »Aber er war Jude.«
    Pelletier zog die Augenbrauen hoch. »Ja, in der Tat.«
    »Ein Jude«, wiederholte sie. »Und doch ein Freund?« Schweigen. Alaïs ließ nicht locker. »Aber er war es nicht, dieser Freund?«
    Diesmal lächelte Pelletier. »Nein, er war es nicht.«
    »Wer denn dann?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Alaïs schwieg einen Augenblick. Sie war sicher, dass ihr Vater einen solchen Freund niemals erwähnt hatte. Er war ein guter Mensch, ein toleranter Mensch, aber dennoch. Wenn er von einem solchen Freund in Chartres erzählt hätte, dann hätte sie das nicht vergessen. Da sie sehr wohl wusste, dass es keinen Sinn hatte, bei einem Thema nachzuhaken, über das ihr Vater nicht sprechen wollte, versuchte sie es anders.
    »Es war kein Raubüberfall, nicht wahr?«
    Darauf gab ihr Vater bereitwillig Auskunft. »Nein. Sie wollten ihn töten. Die Wunde war zu tief, zu gezielt. Außerdem haben sie fast alle Wertsachen dagelassen.«
    »Fast alle?«
    Pelletier sagte nichts.
    »Vielleicht sind sie gestört worden?«, wagte Alaïs sich noch ein wenig weiter vor.
    »Ich denke nicht.«
    »Oder sie haben nach

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