Das Verlorene Labyrinth
doch schon seit ewigen Zeiten im Lande herum, trinken sich ins Grab und haben nicht das Geringste zu Wege gebracht. Die Bischöfe können sich von mir aus die Köpfe heiß reden, aber uns sollen sie bitte schön in Frieden lassen.«
Sie wandte sich von ihrem Mann ab. »Hör nicht auf ihn«, sagte sie und legte Sajhë eine Hand auf die Schulter. »Du hast nichts Böses getan.«
Sajhë starrte auf seine Füße, weil er nicht wollte, dass sie ihn weinen sah.
Na Marti redete mit unnatürlich heiterer Stimme weiter. » Sajhë , hast du nicht neulich gesagt, du würdest gern ein Geschenk für Alaïs kaufen? Sollen wir nicht mal schauen, ob wir was finden?«
Sajhë nickte. Er wusste, dass sie ihn aufmuntern wollte, aber er war ganz verwirrt und verlegen.
»Ich hab aber kein Geld«, sagte er.
»Ach, mach dir deshalb keine Gedanken. Ich denke, dieses eine Mal geht es auch ohne. So, jetzt schau dich einmal um.« Na Marti strich mit der Hand über die farbenfrohen Garnstränge. »Wie wär's hiermit? Meinst du, die Wolle würde ihr gefallen? Passt wunderbar zu ihren Augen.«
Sajhë betastete das zarte, kupferbraune Garn.
»Ich weiß nicht.«
»Doch, die gefällt ihr bestimmt. Ich packe sie für dich ein.«
Sie drehte sich um und suchte ein kleines Stück Stoff zum Einschlagen des Garns.
Sajhë wollte nicht undankbar erscheinen und überlegte, was er Unverfängliches sagen konnte.
»Ich hab sie vorhin gesehen.«
» Alaïs , ja? Und wie geht es ihr? War sie mit ihrer Schwester zusammen?«
Er verzog das Gesicht. »Nein. Aber sie sah trotzdem nicht fröhlich aus.«
»Tja«, sagte Na Marti, »wenn sie heute Morgen traurig war, dann kommt das Geschenk ja wie gerufen. Das wird sie aufmuntern. Alaïs geht doch morgens immer auf den Markt, nicht wahr? Wenn du die Augen offen und die Gedanken beisammen hältst, findest du sie bestimmt.«
Froh, sich der angespannten Stimmung entziehen zu dürfen, schob Sajhë die Wolle unter seine Tunika und verabschiedete sich. Nach einigen Schritten drehte er sich noch einmal um und winkte ihnen zu. Die Martis standen nebeneinander und sahen ihm nach, aber sie sprachen kein Wort miteinander.
Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel. Sajhë spazierte eine Weile umher und fragte nach Alaïs. Niemand hatte sie gesehen. Er wurde langsam hungrig, und als er gerade beschlossen hatte, nach Hause zu gehen, entdeckte er sie vor einem Stand, wo Ziegenkäse verkauft wurde. Er lief hin, schlich sich von hinten an sie heran und schlang die Arme um ihre Taille.
»Bonjorn.«
Alaïs fuhr herum und belohnte ihn mit einem strahlenden Lächeln, als sie sah, dass er es war.
»Sajhë«, sagte sie und strich ihm durchs Haar. »Hast du mich erschreckt ! «
»Ich hab Euch überall gesucht.« Er grinste. »Geht es Euch gut? Ich hab Euch heute Morgen gesehen, und Ihr saht ganz durcheinander aus.«
»Heute Morgen?«
»Ihr seid ins Château geritten, mit Eurem Vater. Kurz nachdem der Bote angekommen ist.«
»Ach so«, sagte sie. »Keine Sorge, es geht mir gut. Es war nur ein anstrengender Morgen. Aber es tut gut, dein blühendes Gesicht zu sehen.« Sie küsste ihn oben auf den Kopf, und Sajhë lief dunkelrot an. Er starrte wütend auf seine Füße, wollte nicht, dass sie etwas merkte. »Und wo du schon einmal hier bist, hilf mir doch den besten Käse aussuchen.«
Die glatten, runden Scheiben aus frischem Ziegenkäse waren in einem gleichmäßigen Muster auf einem Bett aus Stroh ausgelegt, das fest in flache Holzkisten gepresst war. Manche sahen trocken aus und hatten eine gelbliche Haut. Sie hatten einen pikanteren Geschmack und waren schon gut zwei Wochen alt. Andere, die frischer waren, glänzten feucht und weich. Alaïs fragte nach den Preisen, deutete mal auf dieses, mal auf jenes Stück, wollte Sajhës Meinung hören, bis sie sich schließlich entschied. Sie gab ihm eine Münze zum Bezahlen und holte ein kleines, poliertes Holzbrett hervor, auf dem der feuchte Käse nach Hause getragen werden sollte. Sajhës Augen weiteten sich vor Überraschung, als er das Muster auf der Rückseite sah. Wieso hatte Alaïs das? Woher? In seiner Verwirrung ließ er die Münze zu Boden fallen. Verlegen tauchte er unter den Tisch, um Zeit zu gewinnen. Als er sich wieder aufrichtete, sah er zu seiner Erleichterung, dass Alaïs offenbar nichts gemerkt hatte, also machte er sich weiter keine Gedanken darum. Stattdessen nahm er, als der Käse schließlich bezahlt war, seinen Mut zusammen, um Alaïs ihr Geschenk zu
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