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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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oder mehr Wülste hinzugefügt, die etwas von dem überschüssigen Material aufnehmen und verhindern, daß der Handschuh seine Form verliert. Diese nennt man Abnäher.
    Je mehr Anna mir von Handschuhen erzählte, desto klarer wurde mir, dass ich mich bei diesen Beschreibungen nicht über den Inhalt ihrer Sätze freute, die gespickt waren mit Fachausdrücken dieses Berufs, sondern vielmehr über die Tatsache, dass sie zu mir sprach. Ich begriff, daß etwas unternommen werden mußte, um dieser Schwärmerei ein Ende zu bereiten. Mich beschlich Angst und Sorge um die Ausstellung.
Ein Auftrag für William
    Ich besuchte William. Meine Nägel waren zwar recht lang, aber sie mußten nicht wirklich geschnitten werden. Ich ließ sie mir trotzdem schneiden. Als wir den starken schwarzen Kaffee tranken, sagte William: Es freut mich, daß du gekommen bist. Ich war sicher, daß du früher oder später kommen würdest.
    Ich sagte ihm, daß ich gekommen war, um bei ihm eine Bestellung aufzugeben. Eine Büste. In Wachs. Und das, bitte, sobald wie möglich. Sag mir wie viel und ich werde dir das Geld bringen, alles auf einmal oder in wöchentlichen Raten. Wenn du willst, können wir einen Vertrag aufsetzen. Ich werde einen Eilzuschlag zahlen, aber ich werde keine Konventionalstrafe erheben, falls es länger dauert. Ich habe Geld, mach dir deswegen keine Gedanken.
    Ich bin im Moment sehr beschäftigt.
    Nimm dir etwas Zeit für Francis.
    Francis, hast du überhaupt eine Vorstellung, wieviel es kostet, einen Wachskopf anzufertigen?
    Ich habe Geld.
    Ich legte meine gesamten Ersparnisse auf Williams Arbeitstisch, Münzen von meiner Sockelarbeit, Geldscheine von damals, als ich meiner Mutter half, ihr gesamtes Hab und Gut in ein Zimmer zu räumen. William zählte es.
    Das ist nicht genug.
    Es muß genügen. Du hast nicht richtig gezählt.
    William sah meine Enttäuschung und fragte mit einem Seufzer: Um wen geht es?
    Eine Frau, Ende Zwanzig bis Mitte Dreißig.
    Ich werde Photos benötigen.
    Die werde ich besorgen.
    Lebt diese Person?
    Das Leben dieser Person, ob vergangen oder gegenwärtig, ist völlig belanglos, soweit es deine Arbeit betrifft.
    Falls sie lebt, könnte sie mir Modell sitzen. Francis, es ist doch nicht das Mädchen, über das wir schon gesprochen haben, oder? Stell dir einfach vor, die Person ist tot.
    Warum willst du es, Francis?
    Das geht dich nichts an.
    Die Photographien müssen sehr detailliert sein. Jeder Winkel ihres Gesichts. Nahaufnahmen.
    Sicher. Eine Sache noch: Du wirst natürlich Laura und Linda für die Haare beschäftigen und Ottilia für die Augen.
    Es sei denn, du willst sie glatzköpfig und blind.
    So, was Ottilia angeht, sie darf auf gar keinen Fall die Augen kopieren, die sie auf den Photographien sehen wird. Natürlich wird sie diesen Photographien die Augenfarbe der Person entnehmen können, aber das ist dann auch schon die einzige Information, die ihnen zu entnehmen ist. Die Augen der Person sind beschädigt. Sie sind blutunterlaufen und gelb, die Iris ist trüb. Diese Details muß Ottilia ignorieren. Sie soll dem Kopf perfekte Augen geben. Ist das klar? Ich werde die Photos in einigen Tagen vorbeibringen, und dann kannst du dich an die Arbeit machen. Abgemacht? Gut. Lebe wohl, William, ich danke dir für deine Zeit.
    Ich werde tun, was ich kann, Francis, aber du wirst mir mehr
    Geld bringen müssen.
    Du bekommst alles, was ich von jetzt an verdiene.
Ein Auftrag für Mad Lizzy
    Ich war an diesem Tag sehr geschäftstüchtig und ging schnurstracks meinen zweiten Auftrag an: Photographien von Anna Tap. Ich fand Mad Lizzy zuckend durch die Menschenmassen der Stadt wirbeln, damit beschäftigt, Leben aufzuzeichnen. Ich sprach sie an und lud sie auf einen Kaffee in einem bestimmten Café ein, wo man weiß, daß ich dort gelegentlich mein hart verdientes Geld ausgebe. Dieses Café ist in keiner Weise außergewöhnlich. Der Kaffee jedoch ist ausgezeichnet, was aber für sich genommen noch kein Grund ist, es aufzusuchen. Ich gehe wegen eines Kellners dorthin, wegen George, einem jungen Mann von Mitte Zwanzig, mager und nervös und unendlich hilfsbereit. Der Grund, warum ich George mag, ist seine Lüge. Er lügt ausschließlich in einem Punkt. Und als er kam, um unsere Bestellung aufzunehmen, da log er, wie es nicht anders zu erwarten war.
    Francis, wie schön, mal wieder deine herrlich weißen Hände zu sehen. Ich freue mich, daß du gerade heute gekommen bist, denn jetzt können wir uns doch noch voneinander

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