Das verlorene Observatorium
verabschieden. Ich werde morgen in die Hauptstadt reisen. Dort werde ich ein neues Leben beginnen. Einen Kaffee und eine Portion Pommes frites? Sofort.
Wann immer ich dieses Café aufsuche, ist es zufällig immer der Tag vor Georges Abreise in die Hauptstadt. Ich glaube nicht, daß George es jemals schaffen wird. Allerdings nehme ich nicht an, daß George genauso denkt: Jeden Morgen steht er auf, lächelt sein schmales Gesicht im Spiegel an und sagt, Morgen, du Lümmel, morgen bist du nicht mehr da.
Warum lädst du mich zu Pommes frites ein, Francis Orme?
Ich habe einen Auftrag für dich.
Habe zuviel zu tun.
Du kannst dabei etwas verdienen.
Mir fehlt die Zeit. Ich werde irgend etwas Wichtiges verpassen. Alles umsonst. Wir saßen draußen, Lizzy stocherte in ihren Pommes frites herum. Plötzlich ließ sie eine fallen, hob ihre Kamera und schoß sieben Photos hintereinander. Drei Touristen waren vorbeigegangen, das war alles. Lizzys Körper wippte und zuckte. Aus ihrem Mundwinkel kam:
Hab sie erwischt! Hihi. Werde ich nie wieder vergessen. Ich werde sie heute abend entwickeln und in das Buch mit den Photos zu dieser Straße legen. Was für Bilder, was für Bilder! Und sie gratulierte sich selbst, indem sie ihren knochigen Oberschenkel tätschelte.
Dieser Auftrag, Mad Lizzy,
Vergiß es.
Es wäre draußen.
Wo? Wo? In der Stadt draußen? Oder draußen aus der Stadt draußen?
In der Stadt draußen. Tearsham Park Gardens.
Wer? Wer? Ein Stadtmensch? Oder ein Mensch von aus der Stadt draußen?
Ein Stadtbewohner.
Geld? Her damit. Gib es Lizzy, bitte. Danke. Gut.
Ich gab Mad Lizzy die Hälfte ihres Honorars und beschrieb ihr Anna Tap, sagte ihr, dass sie aus jeder Perspektive Photos von ihrem Gesicht schießen und dabei so unauffällig vorgehen mußte, wie es ihr Zucken erlaubte. Elf Uhr, sagte ich, in Tearsham Park. Du wirst sie erkennen, sagte ich, denn ich werde neben ihr stehen.
Verstanden. Verstanden. Jetzt muß ich aber. Tschüß, Amsel.
Und weg war Mad Lizzy, beschäftigt mit den seltsamen Exzentrizitäten ihres Körpers. Mad Lizzy war immer in größter Eile, schien jedoch nie an einem bedeutungsvollen Ort anzukommen. Sie verbrachte ihre Tage mit dem Versuch, das Stadtleben einzufangen. Aber sie war niemals in der Lage, die Stadt festzuhalten. Denn die Stadt veränderte sich ständig, immer wieder geschahen die ungewöhnlichsten Dinge, und sie konnte nicht überall gleichzeitig sein, vieles verpaßte sie einfach. Sie würde viele Menschenleben benötigen, um ihre Arbeit zu vollenden. Das Schlimmste jedoch war, daß Mad Lizzy die Stadt photographierte, um sich als Teil von ihr zu fühlen, aber je mehr sie photographierte, desto distanzierter fühlte sie sich. Man sah sie häufig die Straßen der Stadt entlanglaufen bei dem Versuch, die Stadt zu erschöpfen, aber letzten Endes erschöpfte sie immer nur sich selbst.
Um elf Uhr am nächsten Morgen, als wir mit Mutter in Tearsham Park spazierengingen, wurde Anna vom Klicken einer Kamera und den Zuckungen eines Photographen abgelenkt. Ich entschuldigte Lizzy, erklärte, dass sie ziemlich verrückt sei und Anna schien damit zufrieden. Drei Tage später erhielt ich die Photos. Sie besaßen einen gewissen Charme und beschrieben Annas Gesicht zufriedenstellend aus jeder erdenklichen Perspektive (und obendrein auch noch ein gutes Stück von Tearsham Park Gardens). Ich übergab die Photos William und er machte sich an die Arbeit.
Das Observatorium und Tearsham Park
Jetzt ist es an der Zeit, zu meinem Vater und meiner Mutter zurückzukehren. Mutter hatte sich zu ihrer Zeit der Geschenke zurückgearbeitet. Vater hatte sich in Wohnung 4 aufgestellt, wo früher die alte Bibliothek gewesen war. Die ganze Zeit über waren wir uns nur zu bewußt gewesen, daß, während Mutter ihre Erlebnisse im Observatorium rückwärts durcheilte und Vater vorwärts durch die Tearsham-Park-Zeit stolperte, der Moment kommen würde, an dem sie sich begegnen würden. Soweit war es zwar noch nicht, aber wir wußten, daß es so kommen mußte.
Die vollständige Geschichte des Observatoriums und von Tearsham Park Aus der Sicht meiner Mutter und meines Vaters (nacherzählt mit Hilfe von Francis Orme und Anna Tap):
TEIL ZWEI - Mutters Zezi der Geschenke
In diesem Teil der Geschichte des Observatoriums war Mutter dabei anzutreffen, wie sie eilig durch die leeren und die wenigen noch bewohnten Apartements streifte. Mutter, die Geschenkemacherin, war während der ersten Jahre des Observatoriums
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