Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
und schossen dabei weiter.
Ein Mann sprang aus dem Graben und warf die Muskete weg.
Andrew stieg ihm nach und schlug ihn mit der Flachseite des Säbels auf die Schulter.
»Zurück ins Glied!«, brüllte der Colonel.
Mit großen Augen sah ihn der verängstigte Soldat an.
»Zurück, oder ich durchbohre dich!«
Etliche Suzdalier hatten das Feuer eingestellt, um sich dieses Drama anzusehen.
Der Soldat versuchte sich an Andrew vorbeizuducken, der jedoch vor ihn sprang und ihm die Säbelspitze auf die Brust setzte. Schluchzend stieg der Soldat wieder in den Schützengraben.
Der Druck nahm zu. Im Blickfeld beider Seiten stehend, blieb Andrew an Ort und Stelle, den Säbel in der Hand.
Unerbittlich stürmten die Tugaren weiter an und deckten ihren Vormarsch mit Pfeilhageln. Der Neiper war rot von Blut; Hunderte Leichen trieben langsam flussabwärts, aber immer mehr Angreifer setzten nach.
Da gelang es ihnen unter wildem Gebrüll, das diesseitige Ufer zu erreichen. Sie ließen die Bögen fallen und wogten heran, wobei sie Schwerter und Streitäxte schwangen.
Verzweifelt mühten sie sich die schlammige Uferböschung herauf.
»Aus den Gräben!«, brüllte Andrew. »Raus aus den Gräben!«
Die Suzdalier stiegen nach oben, und einige versuchten in panischer Verzweiflung, noch eine letzte Kugel zu laden.
Ihre Reihe drohte aufzubrechen und nachzugeben.
»Keane!«
Andrew drehte sich um. Es war Hans, der herangaloppiert kam, gefolgt von einem Regiment im Laufschritt.
»Schützenlinie bilden!«, schrie Andrew.
Während das 1. Suzdalische keine zehn Meter entfernt blutete und starb, formierte Hans fluchend sein Regiment.
Und dann gab das 1. auf einmal gänzlich nach; die Männer ergriffen die Flucht, verfolgt von den begeistert brüllenden Tugaren, die in den Graben hinein- und auf der anderen Seite wieder herausströmten.
»1. Suzdalisches, Schussfeld freimachen, Schussfeld freimachen!«, schrie Andrew, während schon Hans’ Kommando ertönte:
»2. Nowroder, erste Reihe, Feuer!«
Die Männer des 1., die noch im Weg standen, warfen sich flach auf den Boden, aber allzu viele wurden von der Salve erwischt. Fast auf Kernschussweite getroffen, stürzte die erste tugarische Linie.
»Zweite Reihe, Feuer!«
Eine weitere Flammendecke zuckte hervor.
»Erste Reihe, Feuer!«
Andrew trat zurück und sah ein drittes und ein viertes Regiment auf der Straße heranstürmen; die Gefechtsstandarten knatterten im Wind.
Und dann ertönte von der anderen Seite des Flusses ein Stakkato von Explosionen, und das Wasser der Furt wogte und spritzte, als die Ogunquit, die die Flussbiegung hinter sich gelassen und ihre Position offenbart hatte, eine tödliche Salve in die Flanke des vorrückenden Feindes jagte.
Andrew blickte zum 2. Nowroder zurück, das weiter seine tödlichen Salven ausspuckte und die vorderen Reihen der Tugaren zurücktrieb. Gleichzeitig fielen Männer in den Nowroder Reihen, als die Bogenunterstützung vom feindlichen Ufer in sie hineinregnete.
Nun warf das 4. Suzdalische, das sich rechts von der Nowroder Stellung formierte, sein Gewicht in die Waagschale.
Trotzdem strömte vom anderen Ufer immer noch eine Welle der tugarischen Infanterie nach der anderen heran.
Die Verteidiger trafen sie, trafen sie schwer, aber die Tugaren konnten über hunderttausend Mann ins Gefecht werfen, während Andrew nur zehntausend hatte. Er blickte zu der Stelle hinüber, wo Black gerade die geschlagenen Reste seines Regiments neu formierte.
Sie können sich leisten, Soldaten zu verlieren, ich hingegen nicht, dachte Andrew grimmig.
Er blickte nach Osten. Er hatte das Gefühl, das schon Stunden vergangen waren, aber die Sonne stand erst zwei Handspannen über den Bäumen. Es versprach ein langer harter Tag zu werden, und als ihm wieder einfiel, dass er kein Frontoffizier mehr war, sondern Oberbefehlshaber einer Armee, trat er von der Schützenreihe zurück, und die Stabsoffiziere, die ihm stets folgten, seufzten vor Erleichterung, als sie ihren vom Schlachtenwahn befallenen Kommandeur noch immer lebendig sahen.
»Es wird ein langer Tag, meine Herren«, sagte Andrew und blickte in ihre nervösen Gesichter. »Ein wirklich langer Tag.«
»Ruf sie zurück«, sagte Qubata ruhig.
Muzta drehte sich ziemlich erstaunt zu seinem Kriegshäuptling um.
»Wir setzen ihnen hart zu«, entgegnete er grimmig.
»Und wir vergießen Ströme vom eigenen Blut. Das halbe Urnen der Olkta ist vernichtet. Ruf sie zurück.«
»Vielleicht hast du Recht«,
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