Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
die neue Stellung bis zum Einbruch der Nacht und ziehen uns dann ins nächste Dorf zurück …« Er blickte kurz auf die Karte. »… nach Tier. Ich möchte, dass Kal eine Nachricht geschickt wird; er soll mehrere tausend Arbeiter schicken, damit sie dort die Positionen für uns graben.«
Hans stand auf und drehte sich dann zögernd noch einmal um, als geschähe es wider besseres Wissen.
»Ist Ihnen klar, dass wir alles verlieren, wenn sie uns dort unten in die Flanke fallen?«
»Wir brauchen Zeit«, antwortete Andrew müde. »Ich kenne das Risiko, aber bei Gott, wir brauchen mehr Zeit!«
»Bataillone, Feuer!«
Fünfzig Kanonen, die Rohr an Rohr eine Front von an die hundert Metern bildeten, feuerten im Gleichklang, fegten über das Feld und brachen eine weitere Formation Tugaren, ehe diese auch nur fünfzig Meter weit aus dem fernen Wald vorgedrungen waren. Der Feind formierte sich jedoch neu und schwärmte kreischend und brüllend weiter heran.
»Kartätschen laden!«
»Zerschmettern wir sie, das sage ich ja immer!«, schrie O’Donald und blickte Andrew an. »Zerschmettern wir sie! Bei Gott, ich habe so etwas nicht mehr gesehen, seit wir Picketts Angriff gebrochen haben!«
Andrew saß auf seinem Pferd und blickte durch den Feldstecher. Das war der fünfte Angriff, den sie in weniger als drei Stunden gestoppt hatten. Nur einmal waren die Tugaren dabei nahe genug herangekommen, um ihre Bögen einzusetzen. Vom Fluss her warf die Ogunquit auch ihre Geschütze in die Waagschale, die schräg von der Seite her übers Feld peitschten und das Blutbad vergrößerten.
Rechter Hand hing dichter Rauch über dem Wald, wo die Tugaren immer weiter vordrangen und Andrew in die Flanke zu fallen versuchten. Eine volle Division stellte sich ihnen dort schon, und eine weitere Brigade rückte vor, um sie in die Zange zu nehmen.
Aufgeregt blickte O’Donald seine Linie hinauf und hinab, als ein Geschütz- und Batteriebefehlshaber nach dem anderen die Hand hob und damit Bereitschaft signalisierte.
Er reckte die Faust hoch.
»Bataillone, Feuer!«
Eintausend Eisenkugeln peitschten übers Feld. Von Übelkeit geschüttelt, wandte sich Andrew ab, als die vorrückende Linie einfach verschwand. Der Angriff stockte, und die Tugaren drehten sich um und strömten rückwärts.
»Massivgeschosse laden!«, schrie O’Donald.
»Lassen Sie sie rennen«, sagte Andrew ruhig.
»Wir können aber noch mehr von diesen menschenfressenden Mistkerlen umbringen!«, schrie O’Donald.
»Trotzdem sind es tapfere Krieger. Um Himmels willen, wir haben sie gebrochen! Außerdem«, setzte Andrew hastig hinzu, »müssen wir Munition sparen.«
Er blickte nach Westen und stellte erleichtert fest, dass in einer Stunde die Dunkelheit hereinbrach. Bislang hatten die Tugaren kein Verlangen nach nächtlichen Gefechten gezeigt. Andrew gedachte ein paar weitere Stunden abzuwarten, sich dann vom Feind zu lösen und nach Tier zurückzuziehen, um die Tugaren dort am nächsten Tag erneut aufzuhalten.
Verrückt vor Wut ritt Qubata über das leichenübersäte Schlachtfeld. Fünf Tage lang waren sie an der Furt aufgehalten worden. Fünf weitere Tage lang war immer das Gleiche geschehen: Am Morgen waren die Menschen verschwunden; die Tugaren trommelten ihre Formationen zusammen und sandten Späher aus, und sie fanden ein weiteres Dorf in ihrem Weg vor, wobei dichter Wald die rechte Flanke des Gegners abschirmte und der Fluss mit dem verdammten Kanonenboot die linke. Wenigstens haben wir gelernt, was ihre Waffen auf Rädern anrichten, dachte er grimmig. Aus fast vierhundert Schritt war er beinahe erwischt worden, und den Krieger neben ihm hatte ein Schuss aus einem dieser Rohre den Kopf von den Schultern gerissen. Diese Dinger frontal anzugreifen, das war Irrsinn.
Zweimal hatten sie nachmittags Tula losgeschickt, um den Feind weiträumig zu umgehen und ihm in die Flanke zu fallen. Nachdem Tula dann während der Nacht abgewartet hatte, war er mit dem ersten Licht des Morgens vorgestürmt, nur um festzustellen, dass der Feind verschwunden war.
Wer immer dieser Mensch war, er war gut, dachte sich Qubata grimmig. Er hoffte, dass man den Mann lebendig gefangen nahm, denn sicherlich würde er ein Schoßtier abgeben, mit dem sich zu reden lohnte; vielleicht konnte man ihn sogar zum Dienst an den Tugaren abrichten. Und falls man ihn nicht lebend erwischte, hoffte Qubata wenigstens von seinem Hirn und Herz essen zu können.
Er drehte sich im Sattel um und starrte Alem
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