Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
der Horde und die Ehre meines Qar Qarth über persönliche Interessen gestellt. Und aus diesem Grund sage ich jetzt auch, dass wir zu einer Einigung mit den Völkern der Yankees und der Rus gelangen müssen.«
Erneut brandete wütendes Murmeln auf, erstarb jedoch wieder, als Qubata im Redekreis stehen blieb; sobald einem Tugaren diese Position gewährt worden war, konnte er sie halten, bis ihm der Qar Qarth persönlich dieses Recht entzog.
»Und aufgrund dieser Erfahrungen glaube ich, dass ich die besten Interessen der Horde im Blick habe.
Mit den Bräuchen unseres Volkes bin ich aufgewachsen, habe ich gelebt und bin ich alt geworden. Einst reisten unsere heiligen Ahnen, falls man den Legenden glauben kann, bis hinauf zu den Sternen des Rades, und sie bauten seltsame und wundersame Apparaturen. Apparaturen, von denen wir heute noch Reste erkennen, wie die Tore, die Tunnel aus Licht, die zuzeiten Kreaturen anderer Welten hierherführen. Es heißt in den Büchern der Schamanen, dass man solche Apparate einst nach eigenem Gutdünken öffnen und schließen konnte und dass unsere Väter auf diese Weise große Reisen ausführten, denn sie hatten diese Dinge auf vielen fernen Welten aufgebaut.
Es heißt auch: Wenn man durch ein solches Tor reiste, verstrich die Zeit vieler Umkreisungen, aber für den Reisenden selbst verging nur ein Augenblick. Das Wissen darüber ist jedoch verloren gegangen, und die Tore öffnen sich nur noch zu diesem oder jenem zufälligen Zeitpunkt und führen dabei meist nur noch zu unserer Welt Waldennia. Es heißt, im Land der Merki fände man Vieh von anderer Art, das von wiederum anderen Welten stammt, aber das konnte ich selbst nicht sehen.
Wie dem auch sei – unsere Ahnen waren einst machtvolle Geschöpfe.«
»Und wozu müssen wir uns diesen Vortrag anhören?«, raunzte Tula. »Das alles betrifft uns nicht. Unsere Väter waren Götter, aber wir sind Tugaren der Horde, Herren der Welt, die wir für immer auf unserem endlosen Ritt umrunden.«
»Genau deshalb musst du es dir jetzt anhören«, wandte Qubata gelassen ein. »Warum haben wir diese Fähigkeiten und Kenntnisse verloren? Was ist aus dem Volk der Tugaren geworden?«
»Wie ich schon sagte: Wir sind die Herren der Welt«, knurrte Tula.
»Vielleicht vor vielen Zeitaltern, aber sind wir heute noch die Herren?«, fragte Qubata.
Die Versammelten blickten einander unbehaglich an.
»Was ist aus uns geworden?«, fragte Qubata leise. »Sind wir wirklich die Herren? Ich denke allmählich, dass es nicht so ist.«
»Weil verdorbenes Vieh gegen uns kämpft?«, raunzte Zan. »Wir werden es niedermachen und die Erde mit seinen Knochen pflügen!«
»Es geht tiefer, es geht viel tiefer«, hielt ihm Qubata entgegen. »Wie immer es dazu kam, jedenfalls haben vor hundert oder mehr Umkreisungen unsere Ahnen die Fremden, die unsere Welt aufsuchten, nicht niedergemetzelt, sondern einen Nutzen in ihnen erblickt. Wir verschonten sie. Wir setzten Herrscher über sie ein, die sie in unserer Abwesenheit an der Kandare hielten. Wir nahmen Pferde von ihnen und züchteten diese für unsere Größe und unseren Gebrauch. Wir verteilten die Fremden rings um die Welt, gaben ihnen reiches Land, wo sie gediehen und wuchsen. Und wir gingen dazu über, ihr Fleisch zu essen.
Und wir sind ihre Sklaven geworden.«
Benommene Stille und verwirrte Blicke waren die Reaktion auf seine Worte.
»Seht euch nur um«, fuhr Qubata rasch fort, ehe ihn ihre Entrüstung um die Chance dazu brachte. »Was stellen wir her? Nichts! Jedes Jahr reiten wir ins nächste Land derer weiter, die wir als Vieh bezeichnen, und wir schlachten sie und bedienen uns an ihrem Besitz, um im Frühling zur Weide des nächsten Jahres weiterzuziehen.
Schließlich sind wir sogar dazu übergegangen, sie zu Tausenden auf unserem Weg mitzunehmen. Wir bezeichnen sie als Schoßtiere, aber was sind sie in Wirklichkeit? Falls etwas mit großem Geschick gefertigt sein soll, geschieht dies durch ein Schoßtier. Falls irgendetwas von Bedeutung hergestellt werden soll, sogar unsere Bögen und Pfeile, dann geschieht es durch die, bei denen wir überwintern, oder wiederum durch unsere Schoßtiere. Und so kam es, dass wir uns nur noch darauf verstehen, wie man kämpft, wie man Kinder zeugt und sich derer bedient, die wir Vieh nennen. Wann würde sich der Tugare schon dazu erniedrigen, etwas von eigener Hand zu produzieren, das auch von Vieh oder Schoßtieren angefertigt werden kann?
Und so sind wir heute ihre
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