Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
Sklaven. Seht nur an, was seit Ausbruch der Pocken aus uns geworden ist. Bestimmte Dinge können schon nicht mehr ersetzt werden – sogar unser Vorrat an Pfeilen wird knapp. Wir haben alles vergessen, was unsere Väter wussten, und leben nur vom Fleisch und der Arbeit anderer.«
»Das ist unser Recht als Tugaren!«, brüllte Tula, und die meisten Versammelten sprangen auf und schrien Qubata zornentbrannt an, während die wenigen, die ihm gut zugehört hatten, ruhig blieben.
»Ich wusste, dass ihr nicht auf mich hören würdet«, sagte Qubata und wiederholte diese Worte mehrfach, bis sich die Versammlung endlich wieder beruhigte.
»Also warum vergeudest du dann unsere Zeit?«, schrie Zan.
»Als Warnung«, antwortete Qubata kalt, »und als letzte Bitte.
Diese Menschen sind im Begriff, sich zu ändern. Gegenüber denen, die vor tausend Jahren bei uns eintrafen, waren wir in Waffen und Stärke noch überlegen. Ich habe gehört, wie Alem von denen mit den dunklen Bärten sprach, die mit einem großen Boot kamen, ähnlich dem Schiff der Yankees, und wie sie mehr als hundert Tugaren töteten, ehe sie selbst starben. Ich habe ihre Donnerwaffen gesehen. Jetzt sind die Yankees gekommen, und ihre Donnerwaffen sind viel weiter entwickelt.
Erkennt ihr es nicht? Die Rasse der Menschen entwickelt sich weiter, während wir stillstehen.«
»Dann töten wir sie doch, sobald sie aus dem Tunnel auftauchen«, wandte Zan gelassen ein. »So einfach ist das.«
»Vielleicht gelingt es uns, und das wäre eine mögliche Lösung. Aber sollten wir nicht lieber erkennen, was vor unseren Augen liegt? Wir entwickeln uns langsam rückwärts, von einem Volk, das zu den Sternen reisen konnte, zu einem Volk, das heute nicht mal mehr Waffen herstellen kann, wie unsere Feinde sie gegen uns einsetzen.
Ich bin durch die großen Häuser gegangen, in denen die Yankees ihre Kriegsmaschinen hergestellt haben. Kein Tugare in der ganzen Horde wäre fähig, so etwas aus eigener Hand zu bauen, und diese Leute haben es in weniger als einem Jahr geschafft!«, brüllte Qubata.
»Noch immer finden wir Überreste der großen Städte, die von unseren Vätern errichtet wurden, und wir stehen wie Kinder davor. Wir bauen nicht; die Menschen hingegen tun es.«
»Findet das noch mal ein Ende?«, fragte Tula kalt. »Wir brauchen kein Geschwafel von jemandem, der zu alt geworden ist, um uns noch zu führen, und sich jetzt fürchtet.«
Qubata blickte flehend Muzta an, aber der Qar Qarth rührte sich nicht; Qubata konnte ihm an den Augen ablesen, dass seine Redezeit sich dem Ende zuneigte.
»Dann hört diese abschließenden Worte: Bei den Verhandlungen vor einem Monat sagte uns der Yankee-Anführer, dass seine Leute das Geheimnis der Pocken kennen, dass wir selbst es sind, die sie vor uns hertreiben.«
»Das haben wir alle gehört. Es ist eine Viehlüge!«, rief ein Urnen-Hauptmann aus den hinteren Reihen.
»Warum haben die Pocken sie dann nicht befallen, wohl aber Wasima verheert und auch alle anderen Städte, die wir aufgesucht haben?«
»Sie hatten Glück, das ist alles«, entgegnete der Hauptmann.
Und als Qubata die Versammlung ansah, wurde ihm klar, dass selbst die einfache Logik seiner Erklärungen zur Krankheit nicht akzeptiert wurde.
»Ich sage euch dies und höre mir dann eure Entscheidung an, wiewohl ich sie schon kenne:
Schließt einen Vertrag mit diesem Volk. Bietet ihnen ein Ende der Schlachtgruben und dieses Krieges im Gegenzug für Nahrung an, die uns ins nächste Jahr bringt.«
»Nahrung vom Vieh, die nehmen wir an!«, raunzte Tula. »Aber unser Volk und nur das tugarische Volk hat das Recht, ihr Fleisch zu essen. So war es immer. Ohne Menschenfleisch verhungern wir.«
»Dann müssen wir eine andere Quelle für unsere Nahrung finden, denn haben in der Zeit vor den Menschen unsere Väter nicht die Speise verzehrt, die sie selbst schufen? Schließt einen Vertrag! Im Gegenzug für Frieden zeigen sie uns, wie man die Pocken aufhält, die vor uns ihre Bahn ziehen.
Ich verlange nicht, dass wir uns jedes Schutzes begeben. Wir setzen unseren Ritt um die Welt fort und ziehen unseren Tribut ein, aber nicht länger in Form von Menschenfleisch, und dann lernen wir die Geheimnisse dieser Kreaturen. Darin liegt unsere einzige Hoffnung auf endgültige Rettung.«
Müde blickte sich Qubata unter den Versammelten um.
»Denn falls unsere Väter einst zwischen den Sternen wandelten, können wir gewisslich von diesen Menschen erneut lernen, wie man Maschinen
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