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Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit

Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit

Titel: Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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sie der östlichen Durchgangsstraße, und als sie das Tor der Innenmauer durchquerten, zügelte Andrew erneut das Pferd.
    Eine Dampfpfeife zerriss die Luft, und durch das Außentor der Erdwälle tauchte ein Zug auf, der seine Wolke aus weißem Rauch nachzog. Der breite Streifen zwischen der alten Stadtmauer und den Außenwällen war von den enormen Trümmern des Krieges geräumt worden und diente jetzt als Hauptbahnhof für die MFL&S-Eisenbahn. Die nördlichen Zinnen, weggerissen von der Flut, die den Angriff der Tugaren vernichtete, waren neu aufgebaut und verstärkt worden. Den Boden zwischen Erdwällen und alter Stadtmauer bedeckten heute ein Dutzend Bahnlinien, die dem wachsenden Transportbedarf der Stadt dienten.
    Der Zug schwenkte durch eine Kurve und glitt mit kreischender Pfeife und Glockengeläut in den Bahnhof aus offenen Bahnsteigen.
    »Auf Gleis eins fahrt ein der Zwölf-Uhr-Express nach Hispania aus Nowrod, Nizhil, Wasima und Siberia!«, verkündete der Bahnhofsvorsteher, während er das Gleis entlangspazierte, angetan mit grauem Gehrock und Zylinder, was irgendwie zur üblichen Uniform von Zugführern und Bahnhofsvorstehern geworden war. Wieder so eine Ungereimtheit, die Andrew anrührend fand.
    Er verfolgte das Spektakel einen Augenblick lang: Dutzende Arbeiter von der Neubaustrecke, die ihren monatlichen Urlaub antraten, stiegen lärmend aus und empfingen ihre heranstürmenden Familien mit freudigen Rufen; weitere Reisende stiegen aus, von denen viele erstaunt ihre Umgebung in Augenschein nahmen oder nervös zum Zug zurückblickten, der für fast alle Rus nach wie vor eine wunderbare Erfindung war.
    Es freute Andrew, auch zwei Roumhändler aus dem Zug steigen zu sehen, beladen mit schwerem Gepäck und gleich umringt von neugierigen Bürgern, die dem verwirrten Paar eifrig Fragen in die Ohren schrien.
    »So ganz anders als ein amerikanischer Bahnhof«, stellte Kathleen lächelnd fest.
    »Durchaus«, sagte Andrew und betrachtete die seltsame Mischung von Leuten, die an ihm vorbeiströmten; mehr als einer nahm respektvoll die Mütze ab oder verneigte sich tief und strich dabei mit der rechten Hand über den Boden (eine Gewohnheit, die den Leuten abzugewöhnen er erst noch schaffen musste); andere, angetan mit der Uniform der suzdalischen Armee, salutierten forsch. Ein halbes Dutzend Männer in der unionsblauen Uniform der 44. New Yorker kamen vorbei, und nachdem sie formell vor Andrew salutiert hatten, tippten sie vor Kathleen an die Mützen und setzten ihren Weg fort.
    »Es sind nicht nur die Menschen«, fuhr Kathleen fort. »Wir haben hier mitgeholfen, etwas aufzubauen, das sich durch eine wunderbare Lebendigkeit auszeichnet. Man spürt es richtig. Diese Menschen wurden tausend Jahre lang unterdrückt, und obwohl sie einen zuzeiten zum Wahnsinn treiben, zeichnen sie sich durch ein kindliches Staunen aus.
    Sie glauben tatsächlich, dass ihre Welt jetzt grenzenlos ist, dass nichts sie mehr aufhalten kann.«
    »Alles einsteigen, alles einsteigen! Der Zwölf-Uhr-fünfzehn-Nahverkehrszug zu allen östlichen Bestimmungsorten fahrt von Gleis eins ab!«
    »Sie ist grenzenlos«, sagte Andrew in fast sehnsüchtigem Ton. »Hoffen wir nur, dass Mikhail und andere, die wie er denken, nicht irgendwie eine Möglichkeit finden, alles zu untergraben. Das ist das Problem bei der Demokratie. Sie funktioniert in der Theorie toll, aber in der Praxis ist es fürchterlich. Ich hätte die Macht festhalten können, hätte damit aber am Ende nur einen neuen Bojaren erschaffen, oder schlimmer noch, einen Zaren.«
    »Reden wir lieber nicht von Politik, oder ich kontere mit meiner Arbeit für das Frauenwahlrecht«, sagte Kathleen und lehnte sich an Andrews Arm. Ihr Gesicht machte dabei deutlich, dass das Thema beendet war.
    Die Zugpfeife ertönte, und begleitet von der harmonischen Kakofonie eines halben Dutzends Glocken, die vorn an der Lokomotive montiert waren – ein sehr russischer Aspekt, dachte Andrew, als das Geläut ertönte –, fuhr der Zug an, durchquerte das Stellwerk und legte Tempo zu, als es über die Zugbrücke nach Osten ging.
    Andrew trieb das Pferd sachte zum Trab an und lenkte die Kutsche durch die massiven Erdwälle der Außenmauer. Mit dem geübten Blick des Soldaten nahm er das Vorfeld der Wälle in Augenschein, das Suzdal mit einer gewaltigen Anzahl tödlicher Fallen, spitzer Pfahle und Gestrüppverhaue schützte.
    Manche Leute behaupteten schon, es wäre ein vergeudeter Aufwand, solch weitläufige

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