Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
gehen; und falls die Tugaren noch mal zur Bedrohung wurden, dann kam diese zumindest in den nächsten Jahren aus dem Osten und nicht aus dem Westen, wo Spähgruppen von einem Land sprachen, das seit der Seuche und der Besetzung durch die Tugaren fast ganz verlassen und leer war.
Andrew sah ein riesiges Floß flussabwärts in den Hafen fahren, wo ein Zug mit einer langen Reihe offener Güterwagen auf die Fracht wartete. Nördlich der Stadt, oben an der Furt, dröhnte eine riesige Sägemühle, die, angetrieben vom Fluss, zweitausend Bahnschwellen pro Tag zurechtschnitt und ebenso die Millionen Fuß Bauholz, die für den Wiederaufbau der Städte gebraucht wurden.
Oberhalb von Fort Lincoln, dem ersten Außenposten der Yankees auf diesem Planeten, stand inzwischen ein weiterer Fabrikkomplex. Die ersten Anlagen dort, eine Getreide- und eine Sägemühle, waren immer noch in Betrieb, zusammen mit der kleineren Gießerei, die mehrere Tonnen pro Tag ausstieß, alles in Nägeln und Untersetzern für die Eisenbahn. Weiter oben lagen die Kohle-und Erzbergwerke.
Insgesamt arbeiteten in den Mühlen, den Bergwerken, den Fabriken und an der Bahnlinie fast dreißigtausend Menschen. Unter allen normalen Gesichtspunkten war das eigentlich ein unmöglicher Aufwand an Arbeitskraft, aber die Bojaren von früher hatten Arbeitskraft vergeudet, während heute die Automatisierung der Landwirtschaft es tatsächlich ermöglichte, eine solche Zahl Menschen zu beschäftigen und zu ernähren. Sämtliche Arbeiter gehörten auch der regulären Dreißigtausend-Mann-Armee an, und ein Tag pro Woche diente dem militärischen Drill. Andrew fand, dass dieses System dabei half, den Zusammenhalt der Einheiten zu wahren, ohne die Arbeitskraft der Männer auf ein reines Garnisonsleben zu verschwenden – und das in einer Zeit, in der die ganze Nation wieder aufgebaut und völlig umgestaltet werden musste.
»Was jetzt?«, flüsterte Andrew, während er voller Freude das betrachtete, was bislang geschaffen worden war.
»Immer noch voller Pläne?«, fragte Kathleen, holte den Picknickkorb hervor und setzte sich neben Andrew, womit sie einräumte, dass ihr Mittagessen auf dieser Erhebung stattfinden würde.
»Es ist nur so, dass ich noch nie so glücklich war«, antwortete er leise und sah sie an. »Ich dachte, das Kämpfen nähme niemals ein Ende, weder in unserer alten Welt noch hier. Es zerfraß meine Seele, dieses Töten, dieses unaufhörliche Töten. Zumindest bin ich lange genug am Leben geblieben, um zu sehen, dass es den Preis letztlich gelohnt haben könnte.«
Er sah sie an und lächelte.
»Früher dachte ich, ich wäre irgendwie nur ein Opfer für andere und mein Leben hätte sonst keinen Inhalt mehr; höchstens nach mir kämen vielleicht Menschen, die ein besseres Leben haben würden, ein Leben in Frieden. Jetzt glaube ich tatsächlich langsam, dass etwas davon auch mir bestimmt ist.«
Fast schüchtern streckte er die Hand aus und legte sie Kathleen auf den Bauch; dann zog er sie erschrocken zurück.
»Tritt sie immer so fest zu?«
»Er möchte seinen Vater sehen«, sagte Kathleen, und ein scheues Lächeln hellte ihre Miene auf.
»Sie.«
»Vielleicht beides, wie bei Tanja und Vincent.«
»Gott helfe mir«, flüsterte Andrew.
»Nein, Gott helfe mir. Vergiss nicht – ich bin es, der sie bekommen wird. Deine Aufgabe besteht nur darin, im angrenzenden Zimmer auf und ab zu gehen.«
Er sah sie besorgt an, und sie beugte sich lächelnd vor und küsste ihn sacht auf die Lippen.
Lachend suchte er eine Haltung, in der er sie bequem umarmen konnte, und es scherte ihn nicht, dass sie auf der Hügelkuppe für alle neugierigen Augen zu sehen waren.
Wenigstens in diesem Augenblick fühlte er sich sicher.
Kapitel 4
Das Wasser wirbelte als tobender Sturzbach, zerrte mit hungriger Kraft, zog ihn mit einer fürchterlichen Stärke, der er nicht zu widerstehen vermochte, in einen Strudel. Es war dasselbe, immer dasselbe, und obwohl seine Gedanken schrien, er möge dagegen ankämpfen, war sein Körper nicht dazu bereit.
Er ließ los, und die schwarze Flut zog ihn unter Wasser.
Oh lieber Gott, wie viele Male, wie viele Male! Diesmal würde er sich fügen. Diesmal würde er ertrinken. Und dann würde das Feuer im Innern auflodern, das erstickende Grauen, wenn die Schwärze über ihn hinwegspülte.
Nein!
Er strampelte, um wieder an die Oberfläche zu kommen; die Luft in den Lungen war wie Feuer, bereit zu explodieren, ihn zu zerreißen, in
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