Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
noch ein weiterer Millionär wie Commodore Vanderbilt werden.
Sogar Emil Weiss war inzwischen weniger reizbar, da er hier niemanden antraf, der seinen medizinischen Theorien widersprach. Sein Lieblingsprojekt war eine Quelle des Staunens für die Rus. Während er noch Militärdiktator war, hatte Andrew eine Menge an Verordnungen erlassen, führend darunter ein System der Hygiene, das sich an Dr. Weiss’ Empfehlungen orientierte. Das Wasser stammte heute aus dem Aquädukt, das vom neu angelegten Stausee gespeist wurde. Nach wie vor führte der Aquädukt zwar in einen öffentlichen Brunnen, aber in weiteren zwei Jahren hoffte Emil, jeden Haushalt in der Stadt mit Holzleitungen und der bemerkenswerten Neuerung wassergespülter Toiletten versorgt zu haben. Eine Kanalisation wurde bereits angelegt, ein Vorgang, der am schnellsten in der Nordhälfte der Stadt vorankam, deren Vorgängerin von der Flut weggerissen worden war.
Die bislang fertig gestellten Kanäle mündeten direkt hinter der Nordwestbastion in den Neiper. Gates schimpfte in seiner Zeitung darüber – zu Recht, wie Andrew einräumen musste –, dass fast hundertfünfzig Meter Bronzerohr bis in die Flussmitte hinaus noch gelegt werden mussten und die Abwasser bislang am Ufer entlangschwappten und durch die Docks flossen.
Emil bekam fast einen Anfall, als sich Mina weigerte, dieses Rohr anzufertigen und als Grund eine ernste Verknappung an dem kostbaren Metall nannte. Andrew war froh, dass er seit dieser Bekanntmachung gestern Emil noch nicht begegnet war. Im Grunde musste er sich ein wenig verlegen eingestehen, dass er dem guten Doktor regelrecht aus dem Weg ging.
Auf einem niedrigen Höhenzug zügelte Andrew das Pferd, stieg aus der Kutsche und reichte Kathleen die Hand.
»Das ist dein Lieblingsplatz, nicht wahr?«, fragte sie, und es klang fast nach einem Tadel.
»Na ja, hier hat man die beste Aussicht.«
»Ich hatte für unser Picknick auf eine etwas abgeschiedenere Stelle gehofft.«
»Nur einen Augenblick noch, Liebling«, sagte Andrew, streckte sich und sah sich um. Mehr als anderthalb Kilometer entfernt breitete sich in der Tiefe die Stadt Suzdal auf den Steilufern des Flusses aus. Wenn er sich nach rechts wandte, fiel sein Blick mit erkennbarer Zuneigung auf die Grundlage der Energie für all das, was hier geschaffen worden war. Man hatte den alten Damm inzwischen ersetzt, und ein halbes Dutzend Fabriken breiteten sich davor aus. Funkenregen stiegen aus der Eisen- und Stahlhütte auf, die Tag und Nacht mit voller Leistung arbeitete, um den unersättlichen Hunger der Eisenbahn zu stillen, allein vierzig Tonnen pro Tag für die Oststrecke. Das alte Behelfssystem, einfach Hollgleise mit Eisenstreifen abzudecken, hatten sie aufgegeben, sobald das Walzwerk für richtige Schienen in Betrieb ging. Und neben der Eisenbahn bestand eine Nachfrage nach landwirtschaftlichen Geräten, Werkzeug, Fahrzeugen, den neuen Gewehren mit gezogenen Läufen und den schwereren Zwölfpfünderkanonen, auf denen O’Donald beharrte.
Über den Gießereien ragten die vier Hochöfen auf, in denen täglich über hundert Tonnen Erz und weitere hundert Tonnen Koks und Kalksteinflussmittel gekocht wurden, um den unersättlichen Hunger auf Metall und noch mehr Metall zu stillen. Neben der Eisenhütte summte das Eisenbahnwerk von Aktivität. Kesselmacher stellten unter Anleitung von Yankee-Ingenieuren immer stärkere Lokomotiven her, begleitet von dem ganzen Fuhrpark an Flachbettwagen, Frachtwaggons, Selbstentladewagen für Erz und Kohle so wie Fahrgastwaggons. Diverse kleinere Bauwerke erhoben sich rings um die Gießerei, und in ihnen wurde eine Vielzahl an Spezialgerätschaften hergestellt; hier waren etliche Privatunternehmen tätig und verbrauchten die fünf Tonnen Eisen pro Tag, die Mina für kommerzielle Zwecke bereitstellte. In sicherer Entfernung von mehreren hundert Metern standen die Pulvermühle und das Munitionsdepot. Die im Krieg verschossene Munition war inzwischen ersetzt, aber der Nachschub an Blei und Kupfer blieb aus, als im Vorjahr jeder Kontakt mit Cartha abbrach. Zum Glück kam bald das Kupfer aus Roum für weitere Telegrafenleitungen, und gerade vor einem Monat hatte ein Team von Prospektoren ein Bleivorkommen hundertfünfzig Kilometer westlich der Furt entdeckt, in Richtung zu den Mayas.
Andrew fühlte sich versucht, auch eine Eisenbahnlinie dorthin zu bauen, aber sie hatten einfach nicht die nötigen Ressourcen, um gleichzeitig in beide Richtungen zu
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