Das Verlorene Symbol
zwanzig, und trotzdem fühlte er sich alt. Was gibt es denn noch im Leben? Er hatte seinen Körper zu einem Meisterwerk geformt; er hatte seinen Geist mit Wissen und Kultur genährt; er hatte sich im Paradies eine Heimstatt geschaffen, und er konnte jede Frau bekommen, die er haben wollte.
Und doch fühlte er sich so leer wie damals in dem türkischen Gefängnis.
Was fehlt mir?
Die Antwort entdeckte er mehrere Monate später. Er saß allein in seiner Villa und zappte mitten in der Nacht gedankenverloren durch die Fernsehkanäle, als er auf eine Dokumentation über die Geheimnisse der Freimaurerei stieß. Die Sendung war schlecht gemacht und warf mehr Fragen auf, als dass sie Antworten lieferte. Trotzdem war Andros fasziniert von den Verschwörungstheorien, die die Bruderschaft umgaben:
Die Freimaurer und die Neue Weltordnung …
Das Große Freimaurerische Wappen der Vereinigten Staaten …
Die Loge P2 …
Das Verlorene Geheimnis der Freimaurerei …
Die Freimaurerpyramide …
Andros setzte sich erschrocken auf. Eine Pyramide. Der Erzähler begann mit der Geschichte einer geheimnisvollen Steinpyramide, deren Inschrift den Weg zu verlorenem Wissen und unergründlicher Macht weisen sollte. So unwahrscheinlich diese Geschichte auch klingen mochte, sie weckte eine weit entfernte Erinnerung in Andros … ein schwaches Bild aus einer viel dunkleren Zeit. Andros erinnerte sich daran, was Zachary Solomon einst von seinem Vater über eine mysteriöse Pyramide gehört hatte.
Ist das möglich? Andros versuchte, sich die Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen.
Am Ende der Dokumentation trat Andros auf den Balkon hinaus, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Die Erinnerungen wurden deutlicher, und schließlich hatte er das Gefühl, dass die Legende vielleicht doch ein Körnchen Wahrheit enthielt. Und falls dem so war, hatte Zachary Solomon ihm doch noch etwas zu bieten – auch wenn er schon lange tot war.
Was habe ich schon zu verlieren?
Drei Wochen später – das Timing war sorgfältig geplant – stand Andros in der Eiseskälte vor dem Musikzimmer des Familiensitzes der Solomons in Potomac. Durch das Glas konnte er Peter mit seiner Schwester Katherine reden und lachen sehen. Sieht so aus, als hätten sie kein Problem, Zachary zu vergessen.
Ehe er sich die Skimaske übers Gesicht zog, schnupfte Andros eine Line Kokain, die erste seit Urzeiten. Augenblicklich spürte er die vertraute Woge der Furchtlosigkeit. Er zog eine Pistole, benutzte einen alten Schlüssel, um die Tür zu öffnen, und trat hinein. »Hallo, Solomons.«
Unglücklicherweise war es in jener Nacht nicht so gelaufen, wie Andros es geplant hatte. Anstatt die Pyramide zu bekommen, wegen der er gekommen war, wurde er von Schrot durchsiebt und floh über den verschneiten Rasen in Richtung des dichten Waldes. Zu seiner Überraschung jagte Peter Solomon ihm mit einer Pistole in der Hand hinterher. Andros floh in den Wald und einen Pfad am Rande einer tiefen Schlucht entlang. Von weit unter ihm klangen die Geräusche eines Wasserfalls durch die eisige Winterluft. Andros kam an einer Gruppe Eichen vorbei und bog nach links ab. Wenige Sekunden später kam er auf dem vereisten Pfad rutschend zum Stehen; nur knapp war er dem Tod entronnen.
Mein Gott!
Wenige Zentimeter vor ihm endete der Pfad, und es ging senkrecht hinunter in den eiskalten Fluss. Irgendjemand – offenbar ein Kind – hatte in einen großen Fels neben dem Pfad eingeritzt:
Zach’s bRiDge
Auf der anderen Seite der Schlucht führte der Pfad weiter. Aber wo ist die Brücke? Das Kokain half nicht mehr. Ich sitze in der Falle. Andros geriet in Panik, drehte sich um und wollte wieder über den Pfad zurücklaufen, sah sich dann aber Peter Solomon gegenüber, der atemlos mit der Pistole vor ihm stand.
Andros starrte auf die Waffe und wich einen Schritt zurück. Hinter ihm ging es mindestens fünfzehn Meter zu dem mit Eis bedeckten Fluss hinunter. Der Dunst des Wasserfalls weiter flussaufwärts waberte um die beiden Männer herum und ließ sie bis auf die Knochen frieren.
»Zachs Brücke ist schon vor langer Zeit verrottet«, keuchte Solomon. »Er war der Einzige, der je so weit gegangen ist.« Solomon hielt die Waffe bemerkenswert ruhig. »Warum haben Sie meinen Sohn umgebracht?«
»Er war ein Nichts«, antwortete Andros. »Ein Drogensüchtiger. Ich habe ihm einen Gefallen getan.«
Solomon trat näher an ihn heran, die Waffe direkt auf Andros' Brust gerichtet. »Vielleicht
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