Das Verlorene Symbol
sollte ich Ihnen den gleichen Gefallen erweisen.« Er klang überraschend entschlossen. »Sie haben meinen Sohn zu Tode geprügelt. Wie kann ein Mensch so etwas tun?«
»Wenn man einen Menschen weit genug treibt, tut er das Undenkbare.«
»Sie haben meinen Sohn ermordet!«
»Nein«, antwortete Andros wütend. »Sie haben Ihren Sohn getötet. Was für ein Mann lässt seinen Sohn im Gefängnis, obwohl er die Möglichkeit hat, ihn herauszuholen? Sie haben Ihren Sohn umgebracht, nicht ich.«
»Sie wissen gar nichts!«, brüllte Solomon, die Stimme von Schmerz erfüllt.
Da irrst du dich, dachte Andros. Ich weiß alles.
Peter Solomon rückte näher. Er war nur noch drei Meter entfernt, die Pistole weiterhin nach vorne gerichtet. Andros' Brust brannte, und er wusste, dass er stark blutete. Die warme Flüssigkeit rann ihm über den Bauch. Er schaute über die Schulter in den Fluss hinunter. Unmöglich. Er drehte sich wieder zu Solomon um. »Ich weiß mehr über dich, als du glaubst«, flüsterte er. »Ich weiß, dass du kein Mann bist, der kaltblütig tötet.«
Solomon kam noch ein Stück näher und zielte.
»Ich warne Sie«, sagte Andros. »Wenn Sie abdrücken, werde ich Sie Ihr Leben lang verfolgen.«
»Das tun Sie ohnehin schon.« Und mit diesen Worten schoss Peter Solomon.
Als er nun in seiner schwarzen Limousine zurück nach Kalorama Heights jagte, dachte der Mann, der sich selbst Mal'akh nannte, über die wundersamen Ereignisse nach, die ihn oberhalb der vereisten Schlucht vor dem sicheren Tod bewahrt hatten. Er war für immer transformiert worden. Der Schuss war nur für einen Augenblick zu hören gewesen, doch sein Echo hallte über die Jahrzehnte hinweg. Sein Körper, einst sonnengebräunt und makellos, war nun von den Narben jener Nacht entstellt … Narben, die er unter den eintätowierten Symbolen seiner neuen Identität verbarg.
Ich bin Mal'akh.
Das war immer schon mein Schicksal.
Er war durchs Feuer gegangen, war zu Asche verbrannt und wiederauferstanden … ein weiteres Mal transformiert. Heute Nacht würde er den letzten Schritt seiner langen und wundersamen Reise tun.
KAPITEL 58
Der scherzhaft ›Key4‹ genannte Sprengstoff war von den Special Forces eigens zum Öffnen verschlossener Türen mit minimalem Kollateralschaden entwickelt worden. Er bestand hauptsächlich aus Cyclotrimethylentrinitramin mit Bis(2-ethylhexyl)-sebacat als Weichmacher und war im Grunde ein Stück C4, zu papierdünnen Bögen ausgerollt, die sich in jeden Türspalt schieben ließen. Im Falle des Lesesaals der Bibliothek hatte der Sprengstoff ganze Arbeit geleistet.
Agent Turner Simkins, der Einsatzleiter, trat über die Trümmer der Türen hinweg und musterte den riesigen achteckigen Saal nach irgendwelchen Anzeichen von Bewegung. Nichts.
»Licht aus«, befahl er.
Ein zweiter Agent trat an die Wandtafel und legte die Schalter um. Der Saal wurde in Finsternis getaucht. Wie auf Kommando hoben alle vier Männer die Hand und zogen sich ihre Nachtsichtgeräte über die Augen. Dann standen sie regungslos da und ließen den Blick durch den Lesesaal schweifen, der sich in ihren Brillen leuchtend grün schattiert zeigte.
Die Szene blieb unverändert.
Niemand versuchte, sich im Schutz der Dunkelheit davonzustehlen.
Die Flüchtigen waren vermutlich unbewaffnet; dennoch drang das Einsatzkommando mit erhobenen Schusswaffen ein, die in der Dunkelheit einen bedrohlich aussehenden Suchstrahl aus rotem Laserlicht ausstrahlten. Die Männer schwenkten ihre Waffen in sämtliche Richtungen, ließen den Suchstrahl über den Fußboden gleiten, die gegenüberliegenden Wände hinauf und auf die Galerien, und sondierten damit in der Dunkelheit. Oft brauchte man nur mit Laservisieren in einen dunklen Raum hineinzuleuchten, und wer immer sich darin verschanzt hatte, gab sofort auf.
Heute Abend wohl nicht.
Noch immer keine Bewegung.
Agent Simkins hob die Hand und ließ sein Team in den Saal vorrücken. Schweigend schwärmten die Männer aus. Simkins folgte vorsichtig dem Mittelgang und legte einen Schalter an seiner Nachtsichtbrille um, wodurch er eines der neuesten Geräte im Hightech-Arsenal der CIA aktivierte. Seit Jahren konnte man Wärmebilder erzeugen, doch erst jüngste Fortschritte in der Miniaturisierung, der Sensorempfindlichkeit und der Signalverarbeitung hatten eine neue Generation von Sichtverstärkungsgeräten hervorgebracht, die den Agenten vor Ort eine Sehkraft verliehen, die an das Übermenschliche grenzte.
Wir sehen im
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