Das Verlorene Symbol
Körper ihres Sohnes, der zusammengekrümmt und leblos auf dem Boden seiner Zelle lag. Sein Kopf war mit einer Eisenstange eingeschlagen worden, und der Körper war derart verdreht und zerbrochen, dass man es sich kaum vorstellen konnte. Er schien gefoltert und anschließend getötet worden zu sein. Der Hauptverdächtige war der Gefängnisdirektor persönlich, der jedoch spurlos verschwunden war, vermutlich mit dem ganzen Geld des armen Jungen. Zachary hatte Papiere unterzeichnet, die sein riesiges Vermögen auf ein privates Nummernkonto transferiert hatten, das dann unmittelbar nach seinem Tod leer geräumt worden war. Niemand vermochte zu sagen, wo das Geld sich jetzt befand.
Peter Solomon flog mit einem Privatjet in die Türkei und kehrte mit dem Sarg seines Sohnes zurück, der dann auf dem Familienfriedhof der Solomons beigesetzt wurde. Der Gefängnisdirektor wurde nie gefunden. Und das würde auch nie geschehen, wie Häftling Nr. 37 wusste. Der Leichnam des fetten Türken verrottete nun auf dem Grund des Marmarameeres und diente als Futter für die blauen Krabben, die durch den Bosporus eingewandert waren. Das riesige Vermögen, das einst Zachary Solomon gehört hatte, war vollständig auf ein nicht zurückzuverfolgendes Nummernkonto überwiesen worden. Häftling Nr. 37 war wieder ein freier Mann – ein steinreicher – freier Mann.
Die griechischen Inseln waren himmlisch. Das Licht. Das Wasser. Die Frauen.
Es gab nichts, was man mit Geld nicht kaufen konnte – eine neue Identität, neue Pässe, neue Hoffnung. Häftling Nr. 37 legte sich einen griechischen Namen zu: Andros Dareios. Andros bedeutete ›Krieger‹ und Dareios ›wohlhabend‹. In den dunklen Nächten im Gefängnis hatte Andros stets große Angst gehabt, und er schwor sich, nie wieder dorthin zurückzukehren. Er scherte sich das zottelige Haar und schwor den Drogen ab. Er begann sein Leben noch einmal von vorne und erkundete nie gekannte sinnliche Freuden. Die Gelassenheit eines Segeltörns durch die dunkelblauen Wasser der Ägäis wurde sein neuer Herointrip; die Sinnlichkeit, feuchte arni souvlaki direkt vom Spieß zu saugen, wurde sein neues Ecstasy, und der Adrenalinschub eines Klippensprungs in die schaumigen Wasser von Mykonos wurde sein neues Kokain.
Ich bin neugeboren.
Andros kaufte sich eine riesige Villa auf der Insel Syros und ließ sich inmitten der Bella Gente in der exklusiven Stadt Possidonia nieder. Diese neue Welt war nicht nur eine Gemeinschaft des Reichtums, sondern auch der Kultiviertheit und der körperlichen Perfektion. Seine Nachbarn waren ausgesprochen stolz auf ihre Körper und ihren Verstand, und das war ansteckend. Der Neuankömmling begann wie von selbst, am Strand zu joggen, seinen blassen Körper zu bräunen und Bücher zu lesen. Andros las Homers Odyssee, fasziniert von den Bildern kraftvoller bronzefarbener Männer, die auf diesen Inseln Schlachten schlugen. Am nächsten Tag begann er, Gewichte zu stemmen, und er war erstaunt, wie schnell Brust und Arme an Muskelmasse zulegten. Immer öfter fühlte er die Blicke der Frauen auf sich ruhen, und deren Bewunderung war berauschend. Er hatte nur den Wunsch, noch kräftiger zu werden, und dieses Ziel erreichte er dann auch: Mithilfe aggressiver Steroide, von Wachstumshormonen, die er sich auf dem Schwarzmarkt beschaffte, mit endlosen Stunden Krafttraining und zahllosen Besuchen im Sonnenstudio verwandelte Andros sich in ein breitschultriges, perfekt gebräuntes Muskelpaket.
Jetzt schaute jeder.
Doch die Warnungen bewahrheiteten sich: Die Steroide und Hormone veränderten nicht nur Andros' Körper, sondern auch seine Stimme. Sie wurde zu einem geisterhaften, gehauchten Flüstern, wodurch er sich noch geheimnisvoller vorkam. Die leise Stimme in Verbindung mit seinem neuen, gewaltigen Körper, seinem Reichtum und seiner Weigerung, über seine mysteriöse Vergangenheit zu sprechen, faszinierte die Frauen – von Models, die zu Fotoshootings auf der Insel waren, bis hin zu attraktiven amerikanischen Collegemädchen auf Urlaub, den einsamen Ehefrauen seiner Nachbarn bis hin zu gelegentlichen jungen Männern. Sie konnten einfach nicht genug von ihm bekommen.
Ich bin ein Meisterwerk.
Doch im Lauf der Jahre verloren die sexuellen Abenteuer ihren Reiz für Andros. Auch die üppige Inselküche verlor ihren Geschmack. Bücher interessierten ihn nicht mehr, und selbst die atemberaubenden Sonnenuntergänge erschienen ihm langweilig. Wie kann das sein? Er war erst Mitte
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