Das Verlorene Symbol
Kathedrale im Licht der Suchscheinwerfer«, sagte Langdon.
»Sie landen draußen.«
Langdon packte Katherines Hand. »Los! Lauf!«
Im Innern der Kathedrale bewegte Dompropst Galloway sich mit so leichten, unbeschwerten Schritten wie seit Jahren nicht. Er ging den großen Kreuzgang und das Hauptschiff hinunter bis zur inneren Vorhalle mit dem mächtigen Eingangsportal.
Nun hörte er den Helikopter draußen vor der Kathedrale. Wenn ich doch nur sehen könnte, dachte er bedauernd, als er sich vorzustellen versuchte, wie der Suchscheinwerfer durch das große runde Fenster leuchtete und den Altarraum in spektakuläre Farben tauchte. Ironischerweise hatte das lichtlose Nichts, zu dem seine Welt geworden war, ein neues Licht auf viele andere Dinge geworfen. Ich sehe heute klarer als je zuvor.
Galloway war bereits als junger Mann dem Ruf seines Gottes gefolgt. Er hatte die Kirche geliebt, wie ein Mensch sie nur lieben konnte. Doch wie viele seiner Brüder, die ihr Leben dem Dienst an Gott gewidmet hatten, war er mit den Jahren müde geworden und hatte sich verausgabt in seinem Bestreben, sich über den Lärm der Ignoranz hinweg Gehör zu verschaffen.
Was hast du anderes erwartet?
Von den Kreuzzügen über die Inquisition bis hin zur Politik der Vereinigten Staaten in der Gegenwart – Christus war immer wieder in allen nur denkbaren Machtkämpfen als vorgeblicher Verbündeter missbraucht worden. Seit Anbeginn der Zeit hatten stets jene ihre Stimme am lautesten erhoben, die am ahnungslosesten waren. Sie hatten die Massen beeindruckt und die Menschen gezwungen, das zu tun, was sie, die Mächtigen, wollten. Sie hatten ihre weltlichen Begierden mit Zitaten aus der Heiligen Schrift gerechtfertigt, die sie selbst nicht verstanden. Sie hatten ihre Intoleranz als Beweis für ihre Überzeugungen zelebriert. Und heute, nach all den Jahren, war es der Menschheit gelungen, alles zu pervertieren, was an Jesus Christus einst so wunderbar gewesen war.
Die Begegnung mit dem Symbol des Rosenkreuzes in dieser Nacht hatte den Reverend mit neuer, großer Hoffnung erfüllt. Sie hatte ihn an die Prophezeiungen erinnert, die in den Manifesten der Rosenkreuzer niedergeschrieben waren. Galloway hatte sie in der Vergangenheit zahllose Male gelesen und konnte sie selbst heute noch sinngemäß wiedergeben.
Kapitel 1:
Der Herr Jehovah wird die Menschheit erlösen, indem er ihr die Geheimnisse enthüllt, die er zuvor nur für die Auserwählten gehütet hat.
Kapitel 4:
Und die ganze Welt wird wie ein Buch werden, und alle Widersprüche von Wissenschaft und Theologie werden in Einklang gebracht.
Kapitel 7:
Vor dem Ende der Welt wird Gott eine große Flut aus spiritueller Erleuchtung schaffen, um das Leiden der Menschheit zu lindern.
Kapitel 8:
Ehe diese Offenbarung möglich ist, muss die Welt schlafen, auf dass die Wirkung des Gifts in dem Kelch vergeht, der gefüllt war mit dem falschen Leben des theologischen Weins.
Galloway wusste, dass die Kirche schon vor vielen Jahrhunderten vom rechten Weg abgekommen war. Er hatte sein ganzes Leben dem Bemühen gewidmet, dies rückgängig zu machen, so gut er es vermochte. Und nun, so erkannte er, nahte der entscheidende Moment mit Riesenschritten.
Es ist immer am dunkelsten, bevor die Morgendämmerung anbricht.
CIA-Agent Turner Simkins hockte auf der Kufe des Black-Hawks, als der Helikopter auf dem von Tau überzogenen Rasen landete. Simkins sprang ab, gefolgt von seinen Männern, und winkte dem Piloten, sofort wieder aufzusteigen und die Ausgänge im Auge zu behalten.
Niemand verlässt das Gebäude.
Während der Black-Hawk sich in den nächtlichen Himmel schraubte, rannten Simkins und sein Team die Treppe zum Haupteingang der Kathedrale hinauf. Noch bevor er sich entscheiden konnte, an welches der sechs mächtigen Portale er hämmern sollte, schwang eines davon nach innen auf.
»Sie wünschen?«, fragte eine gelassene Stimme in den tiefen Schatten dahinter.
Es war so dunkel, dass Simkins die gebeugte Gestalt im Priestergewand kaum ausmachen konnte. »Reverend Colin Galloway?«
»Der bin ich«, antwortete der alte Mann.
»Ich suche Robert Langdon. Haben Sie ihn gesehen?«
Der alte Mann trat vor und starrte mit unheimlichen, leeren Augen an Simkins vorbei. »Das, mein lieber Sohn, wäre ein echtes Wunder.«
KAPITEL 88
Die Zeit wird knapp.
Security Analyst Nola Kayes Nerven lagen blank, und das Koffein aus dem dritten Becher Kaffee jagte durch ihren Kreislauf wie elektrischer
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