Das Verlorene Symbol
der menschlichen und der göttlichen. Wie oben, so unten. Es war eine Verbildlichung jenes Augenblicks, in dem Mensch und Gott eins werden.« Er blieb stehen und blickte Katherine an. »Der Circumpunct«, fuhr er dann fort, »hat viele Sinninhalte, wie wir wissen. Eine sehr esoterische Bedeutung ist die der Rose, das alchimistische Symbol für Vollkommenheit. Setzt man eine Rose jedoch in die Mitte eines Kreuzes, erhält man ein ganz anderes Zeichen – das Rosenkreuz.«
Galloway lehnte sich lächelnd zurück. »Na, na, jetzt reimen Sie sich aber was zurecht.«
Katherine erhob sich nun ebenfalls. »Moment, ich kann euch nicht mehr folgen«, sagte sie zu Langdon und Galloway.
»Das Rosenkreuz«, erklärte Langdon, »ist ein gängiges Symbol in der Freimaurerei. Einer der Grade des Schottischen Ritus ist der Ritter vom Rosenkreuz, ein Bezug zu den frühen Rosenkreuzern, die die freimaurerische Philosophie beeinflusst haben. Peter hat sie dir gegenüber, Katherine, vielleicht einmal erwähnt. Viele große Wissenschaftler waren Rosenkreuzer: John Dee, Elias Ashmole, Robert Fludd …«
»Ja«, sagte Katherine. »Ich habe während meiner Forschungen die Rosenkreuzermanifeste gelesen.«
Das sollte jeder Wissenschaftler tun, dachte Langdon. Der Orden vom Rosenkreuz – offizieller: der Alte Mystische Orden vom Rosenkreuz – hatte eine dunkle Vergangenheit, die großen Einfluss auf die Wissenschaft besaß und vieles mit der Legende der Alten Mysterien gemein hatte: Auch hier spielten alte Gelehrte eine Rolle, die geheimes Wissen besaßen, das durch sämtliche Zeitalter weitergegeben und nur von den klügsten Köpfen studiert wurde. Bekanntermaßen war die Liste berühmter Rosenkreuzer eine Art Who's who des europäischen 16. und 17. Jahrhunderts: Paracelsus, Bacon, Fludd, Descartes, Pascal, Spinoza, Newton, Leibniz.
Der Orden vom Rosenkreuz gründete sich auf ›esoterischen Wahrheiten der alten Vergangenheit‹, die ›vor dem durchschnittlichen Menschen zu verbergen‹ seien und tiefen Einblick in die ›göttliche Sphäre‹ verhießen. Das Symbol der Bruderschaft hatte sich im Lauf der Jahre zu einer aufgeblühten Rose auf einem verzierten Kreuz entwickelt, das jedoch von einem schlichten Kreis mit einem Punkt in der Mitte auf einem ebenso schlichten Kreuz ausging – der einfachsten Darstellung der Rose auf der einfachsten Darstellung des Kreuzes.
»Peter und ich unterhalten uns oft über die Rosenkreuzerphilosophie«, sagte Galloway zu Katherine.
Während der Dompropst die Beziehung zwischen Freimaurerei und Rosenkreuzertum umriss, schweiften Langdons Überlegungen wieder zu dem Gedanken ab, der ihn schon den ganzen Abend beschäftigte. Jeova Sanctus Unus. Dieser Ausdruck hat etwas mit Alchimie zu tun. Er konnte sich noch immer nicht genau erinnern, was Peter ihm darüber gesagt hatte, aber die Erwähnung der Rosenkreuzer musste ihn wieder auf diesen Gedanken gebracht haben. Denk nach, Robert!
»Ihr Gründer«, sagte Galloway soeben, »war angeblich ein deutscher Mystiker mit Namen Christian Rosencreutz – offensichtlich ein Pseudonym, vielleicht für Francis Bacon, der die Gesellschaft nach Ansicht einiger Historiker gegründet haben soll, wofür es allerdings keinen Beweis …«
»Ein Pseudonym!«, rief Langdon plötzlich aus. »Das ist es! Jeova Sanctus Unus ist ein Pseudonym!«
»Was meinst du damit?«, fragte Katherine.
Langdons Herz schlug schneller. »Ich versuche schon den ganzen Abend, mich zu erinnern, was Peter mir über diesen Begriff und seinen Bezug zur Alchimie gesagt hat, und endlich ist es mir eingefallen. Es hat weniger mit der Alchimie als mit einem Alchimisten zu tun … einem sehr berühmten Alchimisten!«
Galloway kicherte. »Das wird aber auch Zeit, Professor. Ich habe seinen Namen schon zweimal erwähnt – und auch das Wort Pseudonym.«
Langdon starrte den alten Dompropst an. »Sie haben es gewusst?«
»Nun, ich hatte gewisse Vermutungen, als Sie mir sagten, die Inschrift laute ›Jeova Sanctus Unus‹ und sei mithilfe von Dürers alchimistischem magischen Quadrat entschlüsselt worden. Doch als Sie das Rosenkreuz fanden, war ich sicher. Wie Sie wahrscheinlich wissen, enthielten die persönlichen Unterlagen des fraglichen Wissenschaftlers eine mit ausgiebigen Anmerkungen versehene Abschrift der Rosenkreuzermanifeste.«
»Von wem reden Sie?«, fragte Katherine.
»Von einem der größten Wissenschaftler aller Zeiten«, antwortete Langdon. »Er war Alchimist, Mitglied
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