Das Verlorene Symbol
passiert?« Katherine blickte zu der Schublade. »Was haben Sie gefunden?«
Bellamy schien es die Sprache verschlagen zu haben. Er wirkte wie jemand, der gerade etwas zu Gesicht bekommen hatte, das er nie im Leben hatte sehen wollen.
»Was ist in der Schublade?«, drängte Katherine.
Mit tränennassen Augen blickte Bellamy sie traurig an. Schließlich sagte er: »Sie und ich, wir haben uns gefragt, wieso dieser Mann Ihre Familie so hasst.«
Katherine runzelte die Stirn. »Ja?«
»Ich fürchte …« Bellamy stockte die Stimme. »Ich habe soeben die Antwort gefunden.«
KAPITEL 119
Im Haus des Tempels stand der Mann, der sich Mal'akh nannte, vor dem großen Altar unter der Kuppel und rieb mit der Hand sanft die jungfräuliche Stelle oben auf seinem Kopf. Verbum significatum, skandierte er in Vorbereitung auf die Zeremonie. Verbum omnificum. Das letzte fehlende Element war endlich gefunden worden.
Die wertvollsten Dinge sind oft die einfachsten.
Über dem Altar wirbelten dünne Weihrauchschwaden. Wie in Zeitlupe stiegen sie im Licht des Mondes aus dem Räuchergefäß gen Himmel und reinigten den Schacht, durch den die befreite Seele ungehindert würde aufsteigen können.
Die Zeit war gekommen.
Mal'akh nahm die Phiole mit Peters dunklem Blut und entkorkte sie. Unter den Blicken seines Gefangenen tauchte er die Spitze der Krähenfeder in die purpurne Tinktur und führte sie zu dem heiligen Kreis auf seiner Kopfhaut. Er hielt einen Moment inne … dachte daran, wie lange er auf diesen Moment gewartet hatte. Seine große Transformation stand endlich bevor. Wenn das Verlorene Wort dem Geist des Menschen eingeschrieben wird, ist es ihm gegeben, unvorstellbare Macht zu empfangen. So lautete seit jeher das Versprechen der Apotheose. Bisher hatte die Menschheit dieses Versprechen nicht zu begreifen vermocht, und Mal'akh hatte alles darangesetzt, dass es so blieb.
Mit ruhiger Hand setzte er die Spitze der Feder auf seine Haut. Er brauchte keinen Spiegel, keine Hilfe – nur seinen Tastsinn und sein inneres Auge. Langsam und mit größter Sorgfalt begann er das Verlorene Meisterwort in den kreisförmigen Ouroboros auf seiner Kopfhaut zu schreiben.
Peter Solomon beobachtete ihn mit einem Gefühl namenlosen Entsetzens.
Als Mal'akh fertig war, schloss er die Augen, legte die Feder beiseite und atmete tief aus, bis alle Luft aus seiner Lunge gewichen war. Ein Gefühl, wie er es nie zuvor verspürt hatte, breitete sich in seinem Innern aus.
Ich bin vollendet.
Ich bin eins.
Jahrelang hatte Mal'akh an dem Werkzeug gearbeitet, das sein Körper war. Nun, im erhabenen Augenblick seiner letzten Transformation, spürte er jede einzelne Linie, die in sein Fleisch gezeichnet worden war. Ich bin ein wahres Meisterwerk. Vollkommen und vollendet.
»Ich habe Ihnen gegeben, was Sie wollten.« Peters Worte drangen in seine Gedanken. »Schicken Sie Katherine Hilfe. Und stoppen Sie diese Übertragung.«
Mal'akh öffnete die Augen und lächelte. »Wir beide sind noch nicht fertig miteinander.« Er drehte sich zum Altar um, ergriff das Opfermesser und prüfte die Schärfe der glänzenden Klinge mit dem Finger. »Dieses alte Messer wurde von Gott selbst in Auftrag gegeben«, sagte er, »um als Werkzeug bei einem Menschenopfer zu dienen. Sie haben es doch sicher schon erkannt, nicht wahr?«
Solomons graue Augen verrieten keinerlei Regung. »Es ist einzigartig, und ich kenne die Legende.«
»Legende? Die Geschichte steht in der Heiligen Schrift. Sie glauben nicht, dass sie wahr ist?«
Peter starrte ihn nur an.
Mal'akh hatte ein Vermögen ausgegeben, um dieses Artefakt ausfindig zu machen und in seinen Besitz zu bringen. Man nannte es das Akedah-Messer, und es war vor mehr als dreitausend Jahren aus dem Metall eines Meteoriten geschmiedet worden, der auf die Erde gestürzt war. Eisen vom Himmel, wie die alten Mystiker es nannten. Angeblich handelte es sich um das Messer, das Abraham bei der Akedah benutzte – der Beinahe-Opferung seines Sohnes Isaak auf dem Berge Moria, wie sie im Buch Genesis beschrieben wird. Die erstaunliche Legende des Messers besagte, dass es sich in späteren Zeiten im Besitz von Päpsten, Nazi-Mystikern, europäischen Alchimisten und privaten Sammlern befunden hatte.
Sie haben das Messer behütet und bewundert, dachte Mal'akh, aber niemand hat es gewagt, seine wahren Kräfte freizusetzen und es seiner wahren Bestimmung zuzuführen. Heute Nacht würde das Opfermesser sein Schicksal erfüllen.
Innerhalb des
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