Das Verlorene Symbol
vertikal angebrachter Metallstab zu sein schien. Katherine hockte sich hin, tastete mit den Fingern und stellte fest, dass der Stab in eine Vertiefung im Beton eingelassen war. Ein Sicherheitsriegel! Sie stand auf, packte den Metallstab, schob ihn nach oben und klinkte ihn aus.
O Gott, der Kerl ist fast hier!
Mit zitternden Händen suchte Katherine nach dem Griff, bekam ihn wieder zu fassen und bot ihre ganze Kraft auf. Das massive Tor schien sich kaum zu bewegen, doch mit einem Mal drang ein dünner Streifen Mondlicht ins Innere von Magazin 5. Noch einmal! Der Lichtstrahl, der von draußen hereinfiel, wurde breiter. Noch ein bisschen! Sie zog ein letztes Mal an dem Griff, spürte bereits den Atem ihres Verfolgers im Nacken.
Katherine sprang auf das Licht zu, wand ihren schlanken Körper seitwärts in die Öffnung. Eine Hand materialisierte aus der Dunkelheit, krallte nach ihr, versuchte sie zurück ins Innere zu zerren. Mit einem schrillen Schrei stemmte sie sich durch die Öffnung, verfolgt von einem muskulösen nackten Arm, der mit einem Muster von Schuppen bedeckt war. Der Arm wand sich wie eine zornige Schlange, die sie zu packen versuchte.
Katherine drehte sich um und floh die lange, fahle Außenwand von Magazin 5 entlang. Das Kiesbett, das den gesamten Komplex des SMSC umschloss, schnitt in ihre Füße, doch sie achtete nicht darauf und rannte weiter auf den Haupteingang zu. Draußen war es schwarze Nacht, doch ihre Pupillen waren nach der Finsternis im Magazin weit geöffnet, und so konnte sie perfekt sehen, fast wie bei Tageslicht. Hinter ihr öffnete sich knirschend das Rolltor. Dann hörte sie schwere Schritte hinter sich, die rasch näher kamen. Ihr Verfolger war beängstigend schnell.
So schaffe ich es nie bis zum Haupteingang. Katherine wusste, dass es bis zu ihrem Volvo näher war, aber selbst das würde zu weit sein. Dieser Wahnsinnige hätte mich vorher längst eingeholt.
Mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie noch einen letzten Trumpf im Ärmel hatte.
Als sie sich der Ecke von Magazin 5 näherte, war der Verfolger fast bei ihr. Jetzt oder nie. Statt um die Ecke zu biegen, schlug Katherine einen Haken, schwenkte scharf nach links, weg vom Gebäude und hinaus auf den Rasen. Im gleichen Augenblick kniff sie die Augen fest zu, legte beide Hände vors Gesicht und rannte los.
Die bewegungsaktivierte Sicherheitsbeleuchtung, die rings um Magazin 5 aufflammte, verwandelte die Nacht augenblicklich in hellen Tag. Ein schriller Schmerzensschrei erklang, als das grelle Licht der Scheinwerfer sich in die weit geöffneten Pupillen ihres Verfolgers brannte. Katherine hörte, wie er auf den losen Steinen ins Stolpern geriet.
Sie kniff die Augen zusammen und lief weiter auf den offenen Rasen hinaus. Als sie das Gefühl hatte, weit genug vom Gebäude und dem Licht entfernt zu sein, schlug sie die Augen wieder auf, korrigierte ihren Kurs und rannte, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her.
Die Autoschlüssel waren dort, wo Katherine sie immer ließ – in der Mittelkonsole. Atemlos nahm sie die Schlüssel in ihre zitternden Hände und schob sie ins Zündschloss. Der Motor brüllte auf, die Scheinwerfer gingen an und beleuchteten eine schreckliche Szenerie.
Eine grässliche Gestalt kam auf sie zugerannt.
Katherine erstarrte für einen Moment.
Die Kreatur im Scheinwerferlicht war kahl und halb nackt. Ihre Haut war mit tätowierten Schuppen, Symbolen und Texten bedeckt. Das Wesen kreischte auf, als das Licht es erfasste, und hob die Hände vor die Augen wie ein Höhlentier, das zum ersten Mal das Sonnenlicht erblickt. Katherine griff nach dem Schalthebel, doch das Ungeheuer war bereits heran, rammte den Ellenbogen ins Seitenfenster und überschüttete die junge Frau mit einem Schauer von Sicherheitsglas.
Ein monströser, mit Schuppen bedeckter Arm schoss durchs Fenster, tastete halb blind um sich und fand Katherines Hals. Sie legte den Rückwärtsgang ein, aber der Angreifer ließ ihre Kehle nicht los, drückte mit unvorstellbarer Kraft zu. Sie drehte den Kopf in dem Versuch, sich seinem Griff zu entwinden – und starrte plötzlich in sein Gesicht. Drei dunkle Streifen, wie Fingernagelspuren, zogen sich durch das Make-up im Gesicht und legten die Tätowierung darunter frei. Die Augen der Kreatur funkelten wild und gnadenlos.
»Ich hätte dich vor zehn Jahren töten sollen«, stieß das Wesen hervor. »An dem Abend, als ich deine Mutter umgebracht habe.«
Als seine Worte zu Katherine durchdrangen,
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