Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
Sternenmann
alle neunhundert Greifen vernichtet hatte. Seine liebsten
Schoßtiere! Und Axis hatte sie einfach in Flammen
aufgehen lassen! Daß der Krieger halbtot von diesem
Zauber zurückgeblieben war, schien der Zerstörer in
seinem Schmerz gar nicht bemerkt zu haben. Er konnte
nur noch an den furchtbaren Verlust der Himmelsbestien
denken.
Großmächtiger Fürst, Ihr verfügt doch immer noch
über siebentausend Greifen, und in sechs Wochen werfen
sie Junge, insgesamt sechsundfünfzigtausend! Herr, hört
mich an, laßt mich dem Gegner jetzt den Rest geben!
Unser Sieg ist zum Greifen nahe!
Damit erinnerte er unbedacht Gorgrael wieder an seine
toten Lieblinge.
Nein! donnerte es im Kopf des Jünglings. Nein, nein
und nochmals nein! Ihr werdet das tun, was ich Euch
befehle! Auf der Stelle setzt Ihr Euch nach Norden in
Marsch. Sobald wir uns von diesem furchtbaren Verlust
erholt haben, können wir uns immer noch um den Feind
kümmern. Aber heute werde ich kein neues Wagnis mehr
eingehen. Ihr habt mir versprochen, diese Schlacht zu
gewinnen!
Und daran fehlt ja auch nur noch ein Quentchen,
erregte sich der Jüngling wieder von neuem, behielt
diesen Gedanken aber lieber für sich.
Der Rückzug könnte uns schwere Verluste abverlangen, Herr.
Wie denn das, Timozel? Redet Ihr nicht die ganze Zeit
davon, daß Axis’ Armee so gut wie geschlagen sei? Ich will
Euch hier oben im Norden sehen. So rasch wie möglich!
Verdammt, nur noch einen Tag, verzweifelte der
Feldherr. Nur noch einen Tag –
Plötzlich bekam er die geballte Macht seines Herrn zu
spüren. Er bog den Rücken durch und schrie so laut, daß
die Skrälinge unten am Fluß aufgeregt miteinander
wisperten.
IHR HABT NUR ZU GEHORCHEN, UND SONST
GAR NICHTS!
Ja, großmächtiger Fürst, wimmerte Timozel und
wandte sich an seine Geisterarmee, um ihr den Rückzugsbefehl zu geben.
»Meine kleinen Lieblinge!« heulte der Zerstörer wütend.
»Wie konnte er meine Greifen vernichten?« Er beugte
sich über die beiden Bestien, die von der ersten Gruppe,
welche er aus der grauen Masse der toten Skräbolde
geschaffen hatte, übriggeblieben waren. Dank sei der
Dunklen Musik, sagte sich Gorgrael, daß ich noch diese
zwei habe, um mich in der Nacht zu wärmen. Seit er die
Nachricht vom Verlust der neunhundert Kreaturen
erhalten hatte, hatte ihn nur noch der Gedanke beherrscht, sein Heer sofort zurückzurufen, um seine
Heimat des Eises und Schnees zu schützen.
»Ein kluger Schachzug«, bemerkte Lieber Mann, der
am Kamin saß. »Aber diesmal hat der Krieger Euch
eigentlich nicht hereingelegt.«
»Ich hätte nie erwartet, daß Axis über solche Macht
verfügt«, erregte sich sein Schüler. »Wie hätte ich auch
damit rechnen sollen, daß der Sternentanz so leicht dazu
eingesetzt werden kann, Lebewesen zu vernichten? Nein,
das war nun wirklich nicht vorauszusehen!«
»Natürlich nicht, Gorgrael. Unter solchen Umständen
habt Ihr das einzig Richtige getan.«
Der Dunkle hatte sich vor Erleichterung setzen müssen, als der Zerstörer seinen Feldherrn Timozel gezwungen hatte, in den Norden zurückzukehren. Sein Herz
klopfte immer noch schneller, so sehr hatte ihm die
Vorstellung zu schaffen gemacht, Timozel könne es doch
noch gelingen, Gorgrael vom militärisch Vernünftigen zu
überzeugen und die geschlagene Armee Axis’ endgültig
aufreiben. Eine Katastrophe wäre die Folge gewesen.
Lieber Mann konnte es noch immer nicht fassen, daß sein
Schüler die ungeheure Möglichkeit nicht sah, die sich
ihm hier bot. Wenn er dem Jüngling nur noch einen Tag
gegeben hätte …
Bei den Sternen! Der Dunkle atmete langsam ruhiger
und hielt seine Gedanken genauso sorgfältig verborgen
wie sein Antlitz. Allen Göttern, wo immer sie auch sitzen
mögen, sei dafür gedankt, daß bei Gorgrael der Verstand
aussetzt, wenn es um seine Schoßtiere geht. So gibt er
uns unbewußt Gelegenheit, uns von dem schweren
Schlag am Azle wieder zu erholen.
Falls das überhaupt möglich ist.
»Aber jetzt kann ich Axis nicht mehr spüren«, bemerkte der Zerstörer unvermittelt. Er war vor seinem
Lehrmeister stehengeblieben und versuchte wieder
einmal erfolglos, ihm unter die Kapuze zu schauen. »Wo
steckt mein Feind? Was ist ihm widerfahren? Früher
konnte ich immer ein widerwärtiges Ziehen an meiner
Seele fühlen, aber jetzt nicht mehr … ist er wirklich tot?«
Ein freudiges Strahlen trat in seine Augen.
»Oh, der Krieger ist listenreich und verschlagen«,
ermahnte ihn Lieber
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