Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
deswegen.«
Ihr Vater preßte seine Lippen zusammen, aber dann
nickte er ebenfalls.
»Gut«, sagte die junge Frau müde, »denn ich besitze
nicht die Kraft, heute abend mehr als einen Verlust zu
beweinen.«
Wolfstern holte tief Luft, warf Sternenströmer aus dem
Winkel seiner violetten Augen zornig einen verächtlichen
Blick zu und nahm dann die Hand seiner Tochter.
»Axis lebt«, erklärte er ihr und lächelte. »Euer Gemahl
lebt.«
Diese wenigen Worte überwältigten Aschure und
Sternenströmer noch mehr als Wolfsterns unerwartetes
Erscheinen.
»Er ist nicht tot?« fragte die junge Frau und fühlte sich
so verwirrt, daß sie sich noch gar nicht freuen konnte.
»Nein, das ist nicht wahr … das kann nicht sein … Ich
spüre nichts mehr von ihm … Schwiegervater?«
Sternenströmer konnte es genausowenig fassen wie sie
und schüttelte ungläubig den Kopf. »Nein … ich meine,
ja … Wolfstern, wir können ihn beide nicht spüren.
Deswegen muß Axis tot sein.«
Der alte Zauberer hielt immer noch Aschures Hand,
sah jetzt aber seinen Ururenkel an: »Manchmal beschleicht mich das Gefühl, daß der Tod mir wie ein
Schatten folgt. Und dann kann ich ihn einfach nicht
loswerden. Aber heute nacht bringe ich zum ersten Mal
Leben.« Er seufzte schwer. »Gestern kam es an der
Mündung des Azle zu einer fürchterlichen Schlacht.«
Aschure stöhnte, und Sternenströmer nahm ihre andere
Hand.
»Gorgraels gewaltige Scharen schwärmten durch den
ganzen Norden, und Axis zog ihnen mit seiner Armee
entgegen, auch wenn am Ausgang dieses Ringens keine
Zweifel bestehen konnten.«
»Ach, er zweifelt doch stets am Erfolg«, murmelte die
junge Frau und stellte verblüfft fest, daß sie von ihrem
Liebsten nicht in der Vergangenheits-, sondern in der
Gegenwartsform gesprochen hatte.
»Ja, das ist tadelnswert, aber niemand kann an seinem
Mut etwas aussetzen. Aber hört, Gorgraels Macht wächst
so unermeßlich, wie selbst ich es mir nicht vorstellen
konnte …«
»Oder ihn dazu ermutigt habt«, preßte Sternenströmer
hervor. Aschure drückte mahnend seine Hand.
Wolfstern bedachte ihn nur mit einem vernichtenden
Blick, ehe er fortfuhr: »Später, Sternenströmer, alles zu
seiner Zeit. Der Zerstörer verfügt jetzt über Greifen.
Davon habt Ihr bereits gehört, nicht wahr?«
Beide nickten.
»Nun, ihm standen neunhundert dieser Bestien zur
Verfügung, neunhundertsieben, um ganz genau zu sein,
und die warf er am Azle dem Krieger entgegen. Nein
wartet, ich erkläre Euch das später genauer. Zuerst will
ich Euch von Axis berichten. Es gelang dem Sternenmann, die Skrälinge aufzuhalten, aber dann fielen die
Greifen über seine Reihen her. Er mußte irgend etwas
gegen sie unternehmen. Und was der Krieger dann tat,
hat sogar mich verblüfft. Ich hätte nie geglaubt, daß er
dafür genug Mut besäße.«
»Ihr kennt ihn eben nicht so wie wir, Wolfstern«,
bemerkte die junge Frau.
»Ich kenne ihn womöglich besser als jeder andere«,
brachte der alte Zauberer sie barsch zum Schweigen, um
dann in gemäßigterem Tonfall fortzufahren: »Euer
Gemahl suchte nach einem Lied, mit dem sich die
Greifen ausschalten ließen, und fand tatsächlich eines.
Aber während er es sang, vernichtete er nicht nur die
Himmelsbestien, sondern auch sich selbst. Sternenströmer«, er wandte sich an den anderen Zauberer, »Ihr wißt
ja, was das bedeutet. Axis rief eine unglaubliche Menge
an Sternentanzenergie herab, die ihm beinahe den Tod
gebracht hätte. So blieb er zwar am Leben, ist seitdem
aber verkrüppelt.«
Aschure schrie und wollte sich erheben, doch ihr Vater
schob sie sanft, aber nachdrücklich zurück. »Nein,
Tochter, hört erst, was ich Euch sagen muß. Denn Ihr
werdet bald zu ihm reisen, und bei den Sternen, er
braucht Euch dringender als je.«
»Aber wenn er noch lebt, warum können wir ihn dann
nicht spüren?« wollte Sternenströmer wissen, der noch
nicht zu hoffen wagte und außerdem Wolfstern jede
erdenkliche Schlechtigkeit zutraute. Warum sollte dieser
Schurke ihnen die Wahrheit sagen? »Warum ist das so?
Wieso ist die Verbindung jetzt unterbrochen?«
»Weil Axis all seine Zauberkraft verloren hat. Ich
sagte doch schon, daß er verkrüppelt ist, ein Zaubererkrüppel. Der Krieger vermag nicht mehr, zum Sternentanz hinaufzugreifen. Und nur durch die gemeinsame
Berührung des Sternentanzes spüren die Mitglieder einer
Familie einander, sind sie miteinander verbunden. Nur ist
das bei Axis nun nicht mehr
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