Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
drei Stunden
pro Tag etwas vor. Sie mögen ihn, sie vertrauen ihm, und
sie werden auf ihn hören. Verdammt! Ich bitte Euch nicht
um Sternenströmers noch um der Kinder willen darum,
ihn die Geburt begleiten zu lassen, sondern einzig und
allein aus Sorge um Euch!«
Axis umschloß ihr Gesicht mit beiden Händen. Bei
den Sternen! Wie schwer es ihm gefallen war, diese
Worte auszusprechen, dabei ließen sie sich beim besten
Willen nicht vermeiden. Vielleicht stand ihnen nicht
mehr viel gemeinsame Zeit zur Verfügung, und der
Sternenmann vermochte die Vorahnung, einem Verhängnis entgegenzugehen, nicht abzuschütteln.
»Aschure, Ihr wißt, wie sehr ich Euch liebe.«
Die junge Frau lächelte. »Das braucht Ihr mir nicht zu
sagen, Axis, ich …«
»Pst, Liebste, hört, was ich Euch zu sagen habe. Da
gibt es nämlich noch einen zweiten, weitaus wichtigeren
Grund, warum mir so viel daran gelegen ist, daß Sternenströmer Euch zur Insel des Nebels und der Erinnerung
begleitet. Er und ich mögen nicht immer einer Meinung
und auch manchmal eifersüchtig aufeinander gewesen
sein, aber er ist mein Vater, den ich liebe und dem ich
vertraue. Aschure, tief in meinem Inneren habe ich eine
Vorahnung, daß uns der Untergang bevorsteht, die mit
jedem Tag stärker wird. Nein! Hört mir zu. Ich kann
nicht versprechen, dieses Heer, das sich im Norden
zusammenrottet, zurückhalten zu können. Heute morgen
haben wir beide mit eigenen Augen sehen müssen, wie
riesig, wie geordnet und wie schlagkräftig Gorgraels
Horden sind. Sollte es mir nicht gelingen, meine Kräfte
weiterzuentwickeln und noch besser zu beherrschen,
bevor wir auf sie treffen, dann werden wir, so fürchte ich,
geschlagen.«
»Nein, Axis!« keuchte Aschure entsetzt und mit weit
aufgerissenen Augen, aber er mußte fortfahren, er mußte
das jetzt alles aussprechen.
»Aschure, so stark meine Zauberkräfte mittlerweile
auch sein mögen, gegen das, was uns oben im Norden
erwartet, vermögen sie kaum etwas auszurichten. Ich
konnte schon der verhältnismäßig kleinen Skrälingstruppe, die Gorgrael über die Wildhundebene schickte, kaum
etwas anhaben. Und die Streitmacht, der ich jetzt
entgegenreite, ist fünftausend Mal größer.«
»Axis!« klagte die junge Frau verzweifelt. Sie haßte
den Schatten der Niederlage in seinem Blick. »Euch
stehen Belial, Magariz und Ho’Demi zur Seite. Und Ihr
verfügt auch noch über die Luftarmada …«
Axis lachte rauh. »Sie werden genauso tapfer kämpfen
und genauso tapfer sterben wie Jorge, Aschure. Nun,
wenn mir im Norden etwas zustößt, wenn ich versage …«
»Dann gibt es für mich keinen Grund mehr, nur eine
Stunde länger am Leben zu bleiben!«
Seine Hände schlossen sich fester um ihr Gesicht.
»Doch! Ihr müßt am Leben bleiben, um meinetwillen,
um unserer Kinder und um Tencendors willen.«
Der Krieger schwieg, und was er dann sagte, stieß er
nur mit Mühe zwischen zusammengebissenen Zähnen
hervor: »Aschure, falls ich sterbe, dann laßt zu, daß
Sternenströmer Euch liebt und versorgt. Er liebt Euch,
und Ihr stammt beide von den Sonnenfliegern ab, also
werdet ihr zusammen glücklich sein. Er wird einen guten
Vater für meine Kinder abgeben.«
»Nein!« schrie Aschure und schlug mit geballten
Fäusten auf seine Brust, während sie versuchte, sich aus
seiner Umarmung zu winden.
Aber Axis war weitaus stärker als sie, und er hielt sie
fest umschlungen. »Ja, ja und abermals ja! Ihr werdet Rat
und Hilfe und Stärke und Liebe brauchen. Und Sternenströmer kann Euch all das geben. Aschure, hört mir zu«,
knurrte er. »Wenn ich sterbe, dann sucht Zuflucht in
Koroleas. Dort werdet Ihr in Sicherheit sein. Dort könnt
Ihr Pläne für die Zukunft schmieden – wie auch immer
sie aussehen mag.«
Die junge Frau fing an zu weinen, aber nicht deshalb,
weil Axis für den Fall seines Todes Vorsorge treffen
wollte, sondern weil sie die Mutlosigkeit in seiner
Stimme hörte. Axis rechnete mit seinem Tod.
Nach einer Weile zog der Krieger sie fest an sich, und
sie standen lange unter den Schatten des Monds, einander
sanft wiegend, während die Wasser des Gralsees hundert
Meter unter ihren Füßen ans Ufer plätscherten.
11 D IE
R
UHESTÄTTE DER
G
ÖTTER
In dieser Nacht versammelten sich die fünf Wächter an
der verlassenen Nordküste des Gralsees: Jack, der älteste
unter ihnen, Zecherach, Ogden, Veremund und Yr.
Die Katzenfrau bereitete sich darauf vor, die Ruhestätte der Götter aufsuchen.
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