Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05
Rabenbund hart gedrillt, und ich
traue dem Häuptling mehr als irgendeinem anderen zu,
sie erfolgreich einzusetzen.«
Der Krieger nickte. »Nun, an Gesellschaft wird es
Euch während meiner Abwesenheit nicht mangeln.
Rivkah und Isgriff können Euch in allem unterstützen.«
Obwohl er den Prinzen von Nor als Befehlshaber und
Strategen schätzte, wollte Axis nicht das Wagnis
eingehen, alle seine hohen Offiziere nach Norden zu
schicken. Abgesehen davon konnte sich Isgriff hier
mindestens ebenso nützlich machen.
Als Aschure jetzt laut lachte, runzelte Axis die Stirn
und blickte sie verwirrt an.
»Mir ging gerade durch den Kopf, Axis, daß mir hier
und jetzt die Verantwortung für ein Königreich obliegt,
obwohl … obwohl ich bis vor ungefähr zwei Jahren
nichts weiter war als die Tochter des Pflughüters in
einem abgeschiedenen Dorf in Skarabost.«
Jetzt mußte auch der Krieger lächeln. Einst hatte sich
Aschure ihrer bäuerlichen Abstammung wegen gegrämt
und sich gesagt, daß ihr der Platz an Axis’ Seite nicht
gebühre. Aber er wußte, daß sie inzwischen diese
Bedenken überwunden hatte.
»Heute morgen im Rat empfing ich einige Eurer Gedanken«, erklärte er jetzt wieder ernst, und seine
Gemahlin hob den Kopf. »Ihr wollt mir wohl etwas
erzählen?«
Aschure wandte sich von dem Ausblick, den das
Fenster bot, ab und blickte ihrem Gemahl in die Augen.
Wie sehr sie ihn vermissen würde, wenn er erst einmal
nach Norden aufgebrochen wäre! »Lange werde ich nicht
in Karlon bleiben, Axis.«
»Das weiß ich, Aschure«, entgegnete er. »Ihr werdet
Euch auf die Insel des Nebels und der Erinnerung
begeben.«
Aschure fuhr zusammen. »Wie könnt Ihr das wissen?«
»Die Insel steht im Mittelpunkt Eurer Gedanken, seit
Ihr Euch wieder an Niahs Botschaft erinnern könnt, den
Tempelberg aufzusuchen, um Antworten über Euren
Vater zu finden.«
»Ja, aber das ist nicht alles.«
»Hat das etwas mit dem Narrenturm zu tun?«
Sie wandte sich ab. Wie konnte sie etwas vor ihm
verbergen? Axis stockte der Atem angesichts der
Schönheit ihres vom Mondlicht beschienenen Profils,
und er streckte die Hand aus und berührte sanft eine
Locke ihres Haars, die sich in ihrem Nacken kräuselte.
»Ja, der Narrenturm. Axis. Als ich wieder dort war,
sprach ich mit Wolfstern.«
Auch das hatte Axis vermutet. Seit dem Tag, den sie in
diesem geheimnisvollen Gebäude verbracht hatte, hatte
sich Aschure immer mehr in sich selbst zurückgezogen.
»Er sagte, ich würde dort viel von meiner Macht
entdecken.« Sie berichtete ihm in knappen Zügen, was
Wolfstern über den Ring und die von ihm ausgehende
Macht geäußert hatte.
»Nun, ich hoffe, Ihr vermögt auf der Insel einen Teil
Eurer mysteriösen Vergangenheit zu enthüllen, Aschure.
Ich würde mich wirklich freuen, wenn Ihr mehr über
Euch selbst herausfändet.«
Aschure rief sich Wolfsterns Gesichtsausdruck ins
Gedächtnis, als er auf den Ring gestarrt hatte. »Mein
Vater wirkte erschüttert, als er den Reif an meinem
Finger sah, Axis. Völlig durcheinander.«
Der Krieger legte den Arm um ihre Schulter. »Es
beruhigt mich sehr zu erfahren, daß man selbst jemanden
wie Wolfstern immer noch überraschen kann.«
Sie schmiegte sich in seinen Arm und genoß die Wärme. »Und der Gedanke, daß Ihr – daß wir – glauben
könnten, er sei der Verräter aus dem dritten Vers der
Prophezeiung, entsetzte ihn ebenso.«
Axis runzelte die Stirn. »Glaubt Ihr ihm denn?«
»Ja«, erwiderte sie. »Ja, ich glaube ihm. Ich denke, der
Verräter ist derjenige, der Gorgraels Armeen neu
organisiert hat.«
Der Krieger schwieg zunächst. Über einen solch langen Zeitraum hatte er angenommen, Wolfstern sei der
Verräter aus der Prophezeiung, derjenige, der ihn an den
Zerstörer verraten würde. Aber wenn der uralte ikarische
Zauber nicht in Frage kam, wer würde ihn dann hintergehen?
»Er meinte, der Verräter habe seinen Schachzug bereits vollzogen und befinde sich an der Seite seines
Meisters, habe aber den endgültigen Verrat noch nicht
begangen.«
Axis erschauerte. Er fragte sich, was wohl vor ihm
liegen mochte. »Aschure, Sternenströmer wird ohne
jeden Zweifel wünschen, mit Euch zur Insel des Nebels
und der Erinnerung zu reisen.«
»Oh nein, Axis, bitte nicht!« Verärgert entzog sich
Aschure Axis’ Umarmung und entfernte sich vom
Fenster. Das allerletzte, was sie jetzt gebrauchen könnte,
wäre ein Sternenströmer, der sie begleitete und ständig
um sie war.
»Mein Gemahl.«
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