Das Vermaechtnis
Dass sie Pu’kon und Nainoa losziehen lassen, um ihr Wissen zu wahren, ist ein kleiner Hinweis, den aber niemand als bedrohlich empfindet. Sie sehen es als weisen Rat ihres Kahuna , so, als ob es dazugehöre zu ihrem Leben und um das Leben für die Nachkommen zu sichern.
Alēi’na geht zu ihm und fragt ihn: „Was sollen wir jetzt tun, Kahuna ?“
Alle schweigen und sehen ihn an.
„Wir leben weiter wie bisher und sind glücklich und dankbar für jeden Tag. Wir werden die Götter und Geister bitten, später rechtzeitig die Erinnerungen an unsere Nachfahren zu schicken, damit sie wieder wissen, wie sie ein Kanu bauen können, wie sie lei -Kränze binden, wie sie hula tanzen und huna beten können, wie sie sich durch ihre gemeinsamen Gespräche von Ängsten befreien können, die Heilung durch ho'oponopono , dem Prinzip der vollkommenen Verantwortung in Liebe. Sie werden es mehr denn je brauchen. Damit sie sich erinnern, wie sie die Schönheit durch die verborgenen Botschaften in ihren Gesang bekommen und in allem, was sie tun, ihr mana zurückbekommen.
Wir tanzen und singen und beten weiter, das ist unser Leben.
Und fischen und sammeln Pflanzen und Kräuter und flechten Matten und schlagen kapas . Und ziehen schöne leis aus duftenden Blüten auf. Das tun wir und zeigen es unseren Kindern, auf dass sie es den ihrigen zeigen. So sind wir und so tun wir und…“
Plötzlich ein Aufschrei – ‘Alana steht auf einmal, keiner weiß wie, auf dem hohen Stein und schreit laut und lange und zeigt auf den Berg. Alle sehen seinen Rauch von bedrohlichen Farben und Funken, die aus großer Tiefe nach oben gespien werden. Jetzt nehmen sie auch das Rumoren in seinem Innern wahr.
Danach schreit sie wieder auf und zeigt mit dem Stock auf Alēi’na :
„Feuer wird kommen über das Dorf und es vernichten. Schon bald!“
Alle sind schockiert. Es ist still. Sie hören die Wellen, die leise an den Strand klatschen, auch das Klatschen an den Schildkrötenfelsen ist leiser als sonst. Die Vögel verstummen, als würden auch sie nachdenken.
Dann spricht die alte Seherin langsam und ganz deutlich:
„Sie muss weg! Sie muss aus dem Dorf. Sie ist das Feuer!“
Alēi’na ist wie betäubt. Sie steht da und regt sich nicht.
„Was redest du, ‘Alana ! Siehst du nicht mit deinen eigenen Augen, dass dies eine junge Frau ist? Du kennst sie sicher besser als wir alle und du weißt, dass von ihr kein Unheil ausgeht, sondern sie ist ein Segen für unser Dorf. Sie geht natürlich nicht!“, ruft der Kahuna der Alten zu.
Die meisten sind unschlüssig. Sie wissen nicht, was sie denken sollen, was richtig ist und was falsch. Nach alle dem, was sie soeben gehört haben. Sie können die Folgen nicht abschätzen, haben die fremde junge Frau lieb gewonnen, als gehöre sie schon immer zu ihnen.
„Sie gehört zu uns, wie jeder andere auch!“, ruft Hana’kea . Er ist über seinen spontanen Mut selbst überrascht und hat ein rotes Gesicht.
„Sie kann doch zu dem anderen Dorf gehen, nicht weit von hier.“
„Ja, und wer sie sehen will, der kann sich mit ihr treffen.“
„Wenn sie von uns ausgestoßen wird, werden die anderen sie nicht aufnehmen. Sie werden denken, sie hätte eine fremde Krankheit, denn so etwas gab es hier noch nie“, sagt Kui , die Fischerfrau und ihr Mann meint:
„Sie ist die Freundin meiner Tochter, wir haben sie lieb gewonnen. So etwas müssen wir ja nicht heute entscheiden.“
Ein Mann neben ihm meint: „Es ist doch egal, wann wir es entscheiden. Wenn die Seherin sieht, dass von ihr Unheil für unser Dorf ausgeht, dann ist es doch klar, dann muss sie weg.“
„Genau!“, unterstützt ihn dessen Frau.
„Kommt doch zu Sinnen! Was soll sie denn anrichten? Sie gehört zu uns. Die Götter haben sie uns geschenkt!“, ruft Uhala’an verzweifelt.
Die alte Seherin steht fest wie ein Fels und lässt sich nicht erschüttern.
„Die Götter haben eben jetzt angekündigt, dass sie wieder gehen muss.“
„Ich finde sie unheimlich“, sagt ein verängstigtes Kind.
„Sie hat genauso Angst wie du, wir können sie nicht verstoßen, das ist gegen jede Regel der Götter! Wie könnt ihr so reden? In so kurzer Zeit vergesst ihr schon die Regeln unserer Götter!“, ruft Uhala’an . Sie ist außer sich.
Keiner hat mitbekommen, wie sich Alēi’na langsam von ihnen entfernt hat. Sie geht wie im Traum langsam auf den Schildkrötenfelsen zu.
Hana’kea merkt als Erster, dass sie nicht mehr da ist und sieht
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