Das Vermaechtnis
weiße Blätter. Das gefällt ihnen. Jaja, das ist nicht schlecht. Manchmal ist da auch etwas Gutes. Unser Volk kann alles aufschreiben, von seiner eigenen Kultur, damit es bewahrt werden kann. Das ist sehr sinnvoll. Aber viel ist nicht mehr übrig. Sie haben so viel vergessen! Wollen sie sich einfach nicht erinnern? Merkwürdig. Hat der neue Gott sie verzaubert? Wo sind sie nur geblieben? Aha – ich wusste es! Es ist nicht ihr Gott, es sind die Männer, die seine Worte weitergeben. Sie wollen, dass alle an ihn glauben. Da geht es wieder los! Schluss mit der Ruhe! Diese Männer sind es, sie zwingen unser Volk! Sie zwingen uns mit Gewalt, wieder etwas anderes zu glauben! Sie sind sehr mächtig, hart, gewalttätig – sie – sie nehmen unserem Volk das Rückgrat! Wie bitter – sie kommen mit neuen kapus – viel schlimmer sind sie, das ist das Ende…“
Sie schluchzt. Alle lauschen erschüttert.
„Sie verbieten uns unsere hula -Tänze, unser freies Leben, unsere Gesänge, unsere Musik. Unsere Kahunas dürfen nicht mehr heilen. Kein ho'oponopono . Unsere Männer und Frauen und auch die Kinder müssen immer die fremde Kleidung tragen.
Unser Volk wird durch ein neues Volk ersetzt, das reich wird an Dingen, immer reicher und unser Volk wird arm und immer ärmer. Sie haben wirklich unser Rückgrat gebrochen, unser Volk ist ohne seine Gebete zu schwach, zu schwach, sich zu erinnern, woher sie kommen. Sie vergessen. Leben nur so dahin. Das neue Volk von anderen Ländern hat zu starkes mana , sie haben Arbeit, bauen süße leckere Speisen an und drängen unser Volk zur Seite. Unser Volk ist zu schwach, entwurzelt wie ein Baum. Sie mischen sich, was sollen sie sonst tun, um zu überleben. Und dann nehmen die Fremden uns die letzte hawaiianische Königin einfach fort.“
Sie ist in einer so resignierten Stimmung, dass einige anfangen zu weinen.
„Was passiert nach der letzten Königin Hawaiis , siehst du etwas?“, fragt Alēi’na , die es nicht glauben kann, dass dies alles irgendwann wirklich zu Ende sein soll. Es durfte einfach nicht sein!
„Die hawaiianische Königin, sie betet zu dem neuen Gott und zu seinem menschlichen Sohn. Dieser wird bald auf die Erde kommen und allen die Worte seines Gottes überbringen. Er kann diesen Gott hören, den Gott der Liebe und des Mitgefühls. Dieser Sohn ist ein guter Mann, ein weiser Mann, fast wie ein Kahuna , und er spricht Ähnliches wie wir es auch denken. Er sieht in dem Gott seinen Vater und in allen Menschen seine Brüder und Schwestern, weil auch er sieht, dass wir alle miteinander verbunden sind, über das Göttliche, dass wir alle eins sind. Damit ehrt er auch unsere Erdmutter. Aber ich sehe sie auf einmal nicht mehr, unsere Erdmutter,… Verwirrend… Der weiße Kahuna , er lebt nicht lange, weil viele seine Worte nicht mögen, weil sie Angst davor haben, weil diese Worte großes mana besitzen. Aber später haben ihm viele geglaubt, aber…“
Sie schüttelt fassungslos den Kopf „… sie geben in seinem Namen Worte weiter, wie er sie nicht gemeint hat. Er wollte nicht, dass jemand anderes getötet wird, aber sie tun es, unvorstellbar, grausam. Ich will es nicht sehen, aber es kommt auch zu uns…
Manche sind dabei, die töten nicht, sie erklären und erzählen und lassen andere am Leben. Aber versteckt zwingen sie uns doch, weil sie uns alles wegnehmen, was uns gehört. Unsere Seele sperren sie ein. Mit ihren Worten. Mit ihren Taten. Was bleibt unseren Nachfahren anderes übrig, so traurig, so furchtbar traurig. Warum lassen die Fremden uns nicht unsere Sprache, unseren Tanz, unsere Gebete, unsere Würde? Schlimm sind sie, böse! So sind sie, die feinen Herren, sie benutzen eine saubere Art von Töten, es klebt kein Blut an ihren Fingern… Tss…“ Sie spuckt wieder verächtlich vor sich. Die anderen sind zu gelähmt von dem, was sie hören.
„Alles zerfällt! Die Fremden kommen von einem riesigen Land. Die, die immer reicher werden durch unser Land. Land, das ihnen nicht gehört, das Land unserer Ahnen. Sie nehmen sich einfach das Land, mit Gewalt oder tauschen es ein gegen wertloses Zeugs. Sie betrügen unser Volk und verteilen das Land unter sich. Nichts ist ihnen heilig. Das ist ihnen egal, weil sie nur reich werden wollen, reich an Dingen und damit reich an neuem mana , schlechtem mana , sehr schlechtem mana ! Reich an Macht sind sie. Und sie herrschen über unser Land.
Ja, sie werden das Land beherrschen. Unser Volk hat keine Rechte mehr, sie nehmen
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