Das Vermaechtnis
Zu unserem Schutze sind die, die die Messer tragen. Es gilt, unsere Schattenseiten zu überwinden.
Da ist der Eselsverschlinger . Das ist der Wächter zur Aufsicht, damit sich keiner in Völlerei und Maßlosigkeit verliert. Die scharfen Messer brauchen wir und einen scharfen Verstand, wenn wir in die Tiefe der Nacht, in die Tiefen des Jenseits hinabsteigen. Die Versuchung existiert, Feinde lauern überall, um uns zu prüfen und zu überlisten. Wieder ist Ma’at anwesend, zur Wahrung des Gleichgewichtes. Thot begleitet Ma’at . Thot symbolisiert hier als Vollmond mein linkes Auge, als Gott der Weisheit und Heiler des göttlichen Auges. Hathor steht als Symbol für mein rechtes Auge.
Es geht weiter in die dritte Stunde . Wir reisen durch die friedvollen Gewässer des Osiris . Osiris selbst erscheint uns wie eine Mumie, denn er wurde einst von Seth zerstückelt. Isis hatte alle Teile gefunden und wieder zusammengefügt. Anubis band sie zusammen, um sie zu bewahren und seine Unsterblichkeit zu sichern. Er erscheint uns, um uns Mut zu geben. Denn die Gefahren sind um uns, die Messer sind gezückt, zum Einsatz bereit. Seth weilt unter uns, doch durch das Erkennen der gefährlichen Mächte können sie von meinem Gefolge vernichtet werden.
Lange rede ich mit den Bewohnern des Jenseits. Ein wichtiges Thema sind die Nilüberschwemmungen und die alte Ordnung, die damit fortgespült wird, doch nur, damit eine neue folgen, wachsen und neues Leben bringen kann. Ich sage den Verstorbenen, dass sie ihre Ganzheit zurückbekommen, so wie Osiris . Das im Tode beschädigte Leben wird wiederhergestellt, Wunden werden geheilt, Abgetrenntes mit dem Körper vereint. Ich sage ihnen, gebt euch hin, damit ihr erneuert werdet. Lasst ab vom Tun und Wollen. Erinnert euch eurer Instinkte, eures Ursprungs und lasst einfach geschehen. Vertraut.
Von Osiris geht eine heilende und regenerierende Kraft aus und diese beginnt nun ihren Wirkungskreislauf in uns. Es ist die Kraft der Liebe, die von ihm kommt, die er an uns weitergibt, die uns für das Ungewisse vorbereitet und stärkt, das gewiss kommt. Seine Gewissheit gibt uns den Mut und schenkt uns Vertrauen. Ich werde beschützt von Schlangengöttern. All meine Erneuerungsphasen werden von ihnen beschützt. Ich verspreche ihnen: Luft mögen eure Nasen atmen, schauen mögen eure Gesichter und hören eure Ohren. Entblößung für eure Umhüllungen, Lösungen für eure Mumienbinden!
Wir erquicken uns an der Schönheit und Fülle des Lebens, an denen wir soeben vorbeifahren. Denn das Dunkel ist leichter zu ertragen, wenn man sich an die schöne Seite erinnern kann! Sie ist unsere Kraft für die kommende dunkle Zeit.
Die vierte Stunde bricht an.
Wir sind bereit. Kein fruchtbares Land mehr, kein Fest, keine friedliche Ruhe. Wüste ist um uns. Dunkel, unbewohnt, unheimlich. Es ist das Land des Gottes Sokar , des Totengottes, es ist das Land Rasetjau . Überall sind seine Schlangenwesen mit Beinen und Flügeln. Das Wasser ist zu seicht, wir können nicht mehr weiterfahren. Das Wasser des Lebens ist versickert. Helfende Gottheiten ziehen mit einem Seil die Barke mühsam über den Sand. Mein Licht reicht nicht gegen diesen dunklen Ort an. Viele Türen versperren unseren Weg. Wir bewegen uns in einer Zickzacklinie nur langsam vorwärts. Gut, dass wir so gut vorgesorgt haben, dass die Göttliche Ordnung vorgesehen hat, dass es uns an nichts mangelt, trotz aller Finsternis.
Hier muss ich mich ganz den helfenden Kräften überlassen, loslassen, kann selbst nichts tun, als Ruhe schöpfen. Meine Sonnenbarke wandelt sich in die Form einer Schlange und bahnt sich ihren Weg. Auch wenn ich ruhe, so bin ich hellwach und achtsam. Durch die Finsternis um mich herum schärfen sich meine inneren Sinne. Wichtig ist das Seil. Es ist die stete Verbundenheit und mein Vertrauen.
Thot überreicht Osiris-Sokar das Auge des Horus dem Erdgott, der es sicher in dieser bedrohlichen Finsternis verwahrt. Ich überlasse mich von nun an der absoluten Heilung in der Finsternis um mich herum und konzentriere mich und höre auf mein inneres Licht.
Ich fühle, wie die Erneuerung in meinem Innern beginnt. Ich fühle den geflügelten Chepri -Käfer, den Jüngling in mir. Ich spreche, denn nur meine Stimme ist zu hören. Ich spreche, damit alle hören, es geht voran. Um ihnen zu sagen: Bleibt beständig. Nichts ist zu sehen, allein mein Schlangenboot speit Feuer und bahnt sich den Weg. Endlich, Ma’at greift ein und setzt die Sterne an
Weitere Kostenlose Bücher