Das Vermaechtnis
große Gimra-Hatschepsut .“
Die Gemüter der Gottheiten haben sich, als Ma’at sprach, wieder beruhigt. Jede fühlt sich nun wieder an ihrem richtigen Platz.
„Ja, große Ma’at , ich verstehe, was du meinst. Der Dienst für fast eintausend Gottheiten und all dies zu verwalten, das erfordert schon eine große Priesterschaft. Allein dadurch erhielten sie schon eine sehr große Macht, das habe ich sehr wohl gemerkt und auch darauf reagiert.
Ich setzte beste Freunde und Söhne der vormals treu ergebenen Säulen von Tameri als Nachfolger für die hohen Beamten meines Reiches ein.
So hielt ich ein Gleichgewicht zu den Priestern, die auch gute Arbeit geleistet haben, sonst könnte ich jetzt nicht hier stehen und mit euch reden. Ohne ihre Arbeit gab es kein Leben nach dem Tod. Sie bewahrten die Einheit des Körpers mit den Seelen. Durch ihre Opfergaben, durch ihre Gebete, durch ihre Rituale. Denn die Priester waren sehr wissende Menschen. Sie standen nicht das ganze Jahr im Dienste der Götter, sondern waren Ärzte, Pflanzenkundige, Männer des Rechts, der Verwaltung, der Sternenkunde, der Planung von Städten, Straßen, Häuser, Grabanlagen, Tempelanlagen, Bewässerungsanlagen und vielem mehr. So will ich auch ihre Arbeit und ihr Dasein der Ordnung halber ins rechte Licht rücken. Doch, so wie ich hörte, soll es unter unseren baldigen Nachfahren schon sehr schwierig und schlimm zugegangen sein. Aber dies sei nicht mein Thema.
Ich möchte zurückkommen zu meinem wundervollen Tag der Einweihung zur Gottesgemahlin – nach all dieser rituellen Reinigung und Vorbereitung war ich endlich würdig, vor dein Angesicht zu treten, großer Amun .“
Amun fährt fort:
„Du wurdest mit dem königlichen Schnellruderboot nach Karnak gerudert, zur Götterstadt, zu meinem Tempel. Wie klein und verlassen du ausgesehen hattest, als du den Prozessionsweg entlangkamst, vorbei an den langen Reihen der Sphingen , den sitzenden widderköpfigen Löwenskulpturen, durch die Pylonen , die herrschaftlichen Toranlagen, über die goldenen Fliesen bis zum Allerheiligsten, in dessen Vorraum du endlich den Hohenpriester Amathu , den du schon kanntest, trafst, und der dich hinein begleitete und dich bat, dich hinzulegen. Du würdest in deiner Ehrfurcht wahrscheinlich heute noch dort liegen, wenn nicht Amathu gesagt hätte, du dürftest mir gern in die Augen sehen. Denn er hatte das heilige Innere geöffnet und…“
Gimra-Hatschepsut spricht weiter:
„…Und ich sah dein Antlitz das allererste Mal: Groß, golden, mit vielen Edelsteinen besetzt saßest du auf deinem goldenen Thron hoch vor mir. Nur Schalen mit wohl duftendem, reinigendem und klärendem Weihrauch standen zwischen uns. In deiner rechten Hand hieltest du einen langen Hirtenstab umklammert, in der linken Hand das Lebenskreuz, Ankh , auf deinem Kopf die Atefkrone , die Krone unserer Könige.
Als ich in deine Augen blickte, verschwand all meine Angst. Ich dachte an nichts mehr als an dich und deine Größe und meine Liebe zu dir schien hinauszuwachsen über alles. Als Amathu mir sagte, ich solle mich versenken in dich, so tat ich es. Ich ließ mein Ka hinaustreten durch die Pforte des Himmels, die du mir öffnetest. Du stelltest mich meinen vier Vorgängerinnen vor, und du sagtest mir, dies seien deine Gottesgemahlinnen und du würdest dich heute auch mit mir vermählen. Als Zeichen legtest du mir deine Hand auf meinen Kopf. Mich durchfloss deine göttliche Kraft, sodass ich Raum und Zeit vergaß und nur noch Glück empfand. Nur noch Glück!
Diesen Moment trug ich in mir, tief in mir. Er war der Schlüssel zu all meiner Kraft, die ich brauchte, um eine große Pharaonin zu werden und dir ebenbürtig zu sein als Gottesgemahlin.“
Wieder übernimmt Amun :
„Das war die Basis, nun warst du anerkannt. Die Hochzeit mit deinem Bruder Tanobakt-Thutmosis II. konnte stattfinden. Dein Vater wusste ganz genau, wie wichtig du für das Reich von Tameri warst, denn du musstest die Schwächen deines Bruders ausgleichen, damit Ma’at erfüllt wurde. Die Einheit des Reiches, Nord und Süd, war das wichtigste. Diese galt es nach allen Seiten zu verteidigen und zu wahren. Genau das hattest du dir zu Herzen genommen. Oft opfertest du Ma’at und batest sie um Beistand.
Plötzlich, durch einen Unfall bei der Jagd nach Flusspferden, verstarb dein Vater, den du so sehr verehrt hattest und dessen starke Hand du doch noch eine Weile hättest halten können. Doch das Leben wollte es anders mit dir,
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