Das Vermaechtnis
auch nicht zu einem Gott erheben, denn er ist dennoch Mensch. Dich liebe und liebte ich über allen. Immer. Ich erfüllte jede meiner Aufgaben als Pharaonin Tameri s. Nur meine Gefühle zu Ushlaran-Senenmut konnte ich nicht unterdrücken. Etwas in mir strebte nach einer Liebe, so, wie jede andere Frau Tameri s sie leben durfte. Ich hätte es nicht tun dürfen, doch ich tat es heimlich. Wie naiv! Ich dachte tatsächlich, niemand würde es merken, auch du nicht, denn ich opferte dir mehr denn je zuvor.
Aber Pharaonin ist man jede Tages- und jede Nachtstunde. Da gibt es keine Leerräume für einem selbst. Versteh mich nicht falsch, denn ich liebte meine Aufgaben, ich liebte es, zu arbeiten, so wie ich es liebte zu lernen. Leerräume wollte ich nicht wirklich, denn ich liebte meine rundum gefüllte Zeit. Es raubte mir zwar so manches Mal den Schlaf, denn ich konnte nicht aufhören zu denken. Egal.
Du weißt, was ich meine, denn auch du hast keine Leerräume, wenn du Tag für Tag und Nacht für Nacht in deiner Sonnenbarke über den Himmel und durch die Unterwelt ziehst. Jahr für Jahr. Auf dich können sich alle verlassen, du bist immer da. Alles dreht sich um dich, während du dich um uns drehst.
Es stimmt mich sehr froh, dass wir miteinander sprechen. Nun ist die Zeit wie immer.
Nein, du hast mich nicht ganz allein gelassen. Du hast mir meinen Mann und Stiefsohn, Burgon-Thutmosis III , an die Seite gestellt. Er kümmerte sich um mich bis zum Schluss. Er saß oft bei mir und räucherte Myrrhe, um mein Gemüt zu beruhigen. Auch ihn liebte und achtete ich sehr.
Dass Ushlaran-Senenmut , meine tiefe menschliche Liebe, ein neues Glück gefunden hatte, nachdem ich für niemanden mehr zugänglich war, war für mich natürlich schmerzvoll, doch für ihn war es das einzig Richtige. Du, mein großer Gottesvater Amun , tatest, was du tun musstest für das Wohl von Tameri .
Es war genau der richtige Zeitpunkt eines Machtwechsels, das hätte ich spüren müssen. Es war die richtige Entscheidung, denn meine Kraft war weg, ich drehte mich ausschließlich nur noch um mich. Die Kraft meines Ehemanns Burgon-Thutmosis III war am erblühen und so konnte er das erfüllen, was ihm zugedacht war. Hast du von ihm schon berichtet?“
Sichtlich erleichtert nahm Amun diese Brücke an.
„Du göttliche Gimra-Hatschepsut , wie damals schon, so redest du auch heute weise und erhaben. Über Burgon-Thutmosis III werde ich auf jeden Fall gleich noch berichten, oder, wenn du magst, geben wir beide zusammen von unseren Erinnerungen preis. Doch zunächst zu dir. Weißt du noch, wie du Ushlaran-Senenmut das Leben gerettet hast, damals als du erst zwölf Sommer zähltest?
Er war zu jener Zeit ein junger Schreiber von etwa 28 Sommern im Dienste deines Vaters. Er hatte die Aufgabe, zusammen mit dem Oberbefehlshaber der Militärmacht Tameri s, den Königssohn, den Erstgeborenen und Thronfolger Amunmosis , zu beschützen. Die Reise ging zum Chnum -Tempel. Chnum , gepriesen seiest du, widderköpfiger Gott der Nilquellen!
Dein Halbbruder, Amunmosis , den dein Vater sehr liebte, wollte als künftiger Thronerbe Chnum huldigen, damit er für die jährliche, für das Volk lebenswichtige, Nilüberschwemmung sorgen würde. Doch während er im Allerheiligsten des Tempels zu dem Gott sprach, welches nur der Tempelpriester und er betreten durften, wurde er feige aus der Dunkelheit heraus ermordet.
Dein Vater Thutmosis I. war in seiner Trauer voller Zorn den eigentlichen Beschützern gegenüber und wollte sie hinrichten lassen. Doch du, du sprachst weise Worte, die auch der Wahrheit entsprachen und die beiden von ihrer Schuld befreiten. Du hattest deinen Vater darauf hingewiesen, dass es den beiden verboten war, als Ungeweihte den Tempel überhaupt zu betreten. Fortan orderte dein Vater sie als Befehlshaber mit zu seinem Rachefeldzug gegen die Kuschiten , die für den Mord letztendlich verantwortlich waren. Siegreich kehrten sie zurück. Ushlaran-Senenmut konnte seine große Geschicklichkeit und Treue unter Beweis stellen, denn genau in dem Moment der höchsten Bedrohung des Pharao, deines Vaters, tötete er den Angreifer mit einem gezielten Schuss in den Hals. Dieser Angreifer war der König der Kuschiten , und somit war der Kampf entschieden.
Da der zweitälteste Sohn deines Vaters bereits verstorben war, war die Königsfolge nun an Tanobakt-Thutmosis II .
„Ja“, meint Gimra-Hatschepsut , „ich kann mich noch erinnern, wie tapfer er war. Er wollte
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