Das Vermaechtnis der Drachenreiter
Blick zu. »Ist euch bekannt, warum meine Zunftgenossen und ich uns in diesem Jahr verspätet haben?«
Eragon schüttelte den Kopf.
»Unterwegs wurden wir vom Unglück nur so verfolgt. In Alagaësia scheint das Chaos zu herrschen. Uns plagten Krankheiten, wir wurden angegriffen und ständig mussten wir schlimme Schwierigkeiten überwinden. Weil die Angriffe der Varden zugenommen haben, hat Galbatorix die Städte gezwungen, mehr Soldaten an die Grenzen zu schicken, Männer, die eigentlich für den Kampf gegen die Urgals gebraucht werden. Die Bestien ziehen nach Südosten, in Richtung Hadarac. Keiner weiß, warum, und normalerweise würde es uns nicht kümmern, aber dabei kommen sie durch besiedelte Gebiete. Sie wurden auf Straßen und in der Nähe von Städten gesichtet. Am schlimmsten sind die Berichte über einen Schatten, wenngleich die Geschichten bisher nicht bestätigt wurden. Nicht viele Menschen überleben eine solche Begegnung.«
»Warum haben wir nichts von alledem gehört?«, fragte Eragon entgeistert.
»Weil es erst vor wenigen Monaten begann«, sagte Merlock verdrossen. »Ganze Dörfer waren gezwungen umzusiedeln, weil die Urgals ihre Felder zerstört haben und ihnen der Hungertod drohte.«
»Unsinn«, brummte Garrow. »Wir haben keine Urgals gesehen. Der einzige, den es hierher verschlug, wurde getötet, und seine Hörner hängen heute an der Wand von Morns Schankhaus.«
Merlock hob eine Braue. »Mag sein, aber dies ist ein kleines Dorf, umgeben von hohen Bergen. Es ist nicht verwunderlich, dass ihr noch nichts bemerkt habt. Aber ich fürchte, das wird nicht so bleiben. Ich habe diese Ereignisse nur erwähnt, weil auch hier merkwürdige Dinge im Gange sind, wenn ihr im Buckel einen solchen Stein gefunden habt.« Und mit dieser ernüchternden Bemerkung beendete er das Gespräch, verneigte sich und lächelte unverbindlich.
Garrow und Eragon gingen nach Carvahall zurück. »Was denkst du?«, fragte Eragon.
»Ich werde weitere Informationen einholen, bevor ich mir eine Meinung bilde. Bring den Stein zum Karren zurück, dann kannst du tun, was du willst. Wir sehen uns zum Abendessen bei Horst.«
Eragon drängelte sich durch die Menschenmenge und rannte freudig zum Karren zurück. Sein Onkel würde nun stundenlang mit seinem Handel beschäftigt sein, und er hatte vor, die Zeit zu genießen. Er versteckte den Stein zwischen den Säcken, dann marschierte er mit federndem Gang zurück ins Dorf.
Er ging von einem Stand zum nächsten und sah sich die Waren mit den willigen Augen eines Käufers an, trotz seines mageren Münzvorrats. Als er mit den Händlern sprach, bestätigten sie, was Merlock über die unruhige Lage in Alagaësia berichtet hatte. Ein ums andere Mal hörte er das Gleiche: Die Sicherheit der letzten Jahre ist dahin; neue Gefahren sind aufgetaucht und nirgendwo ist es mehr sicher.
Später am Tag kaufte er sich drei Malzstangen und ein Stück ofen-frischen Kirschkuchen. Die heiße Speise tat gut nach dem stunden-langen Herumstehen im Schnee. Er leckte sich bedauernd den klebrigen Sirup von den Fingern und wünschte sich, er hätte mehr von dem Kuchen. Dann setzte er sich auf eine Verandastufe und knabberte an einer Malzstange. In der Nähe trugen zwei Jungen aus Carvahall einen Ringkampf aus, aber er hatte keine Lust mitzumachen.
Als der Tag in den späten Nachmittag überging, begannen die Händler, ihre Geschäfte in den Häusern der Dorfbewohner abzuwickeln. Eragon wartete ungeduldig auf den Abend, wenn die Troubadoure herauskommen würden und ihre Geschichten erzählten und Kunststücke vorführten. Er liebte die Legenden über Magie und Götter - und wenn sie großes Glück hatten, würden sie vielleicht auch eine Erzählung über die Drachenreiter zu hören bekommen. Carvahall hatte seinen eigenen Geschichtenerzähler, Brom - ein Freund von Eragon -, aber im Laufe der Jahre hatten sich seine Geschichten abgenutzt, während die Troubadoure stets neue erzählten, denen er gespannt lauschte.
Eragon hatte gerade unter der Veranda einen Eiszapfen abgebrochen, als er Sloan vorbeigehen sah. Der Metzger hatte ihn nicht bemerkt, deshalb zog Eragon den Kopf ein und flitzte um die Ecke zu Morns Schankhaus.
Drinnen war es heiß und die Luft war geschwängert mit dem öligen Rauch der flackernden Talgkerzen. Die verdrehten, schwarz glänzenden Urgal-Hörner, so lang wie sein ausgestreckter Arm, hingen über der Tür. Der Tresen war lang und niedrig und hatte unten mehrere Sprossen, auf die die
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