Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
und den Hauptmännern der Armee bis hin zum geringsten der Soldaten, lebte in seiner eigenen Welt, gefangen in seinen Gedanken. Geistlos und automatisiert erfüllten sie ihre Aufgaben, aber dabei dachten sie an die rosigen, sorgenfreien Tage der Vergangenheit oder an die finsteren Aussichten für die Zukunft. Zum Teil lag es daran, dass alle Kämpfe im weit entfernten Terranien stattfanden. Hier in Arida konnte man nur warten und hoffen.
Es war Elaine, die besonders unter dieser Situation litt. In ihrer Heimat war sie eine gefragte Persönlichkeit, die Tochter des Fürsten und seine Stellvertreterin. Die Menschen dort wandten sich mit ihren Sorgen an sie, wenn Logis nicht da war. In Komar waren ihre Tage stets angefüllt gewesen mit Aufgaben, aber hier wurde ihr alles abgenommen. So beschloss sie am vierzehnten Tag des Monats, Arida zu verlassen.
„Elaine, warte!“, keuchend holte Julius sie auf der Freitreppe des Palastes ein. Es war Mittag, die Sonne schien heiß und gleißend und der Hof war voller schwitzender, kämpfender Soldaten, die sich an den verschiedenen Waffen übten. Die Einzige, die inmitten des Gewühls die Ruhe behielt, war Elaine. In Reitkleidung und mit einer Tasche unter dem Arm blieb sie auf der Treppe stehen.
„Wohin willst du?“, Julius kam neben ihr zum Halten. Verständnislos und nach Luft schnappend sah er sie an.
„Nach Komar wahrscheinlich. Ich weiß es noch nicht genau.“
„Aber das ist viel zu gefährlich. Du kannst nicht einfach allein wegreiten“, dann erkannte er, dass er so nichts erreichen würde, darum fragte er, „warum willst du Arida überhaupt verlassen?“
Elaine seufzte und sah zu Julius auf. In diesem Moment erkannte der junge Prinz, dass sie bei Weitem nicht so entschlossen war, wie sie gern erscheinen wollte.
„Hier kann ich ja doch nichts tun. Ich werde auf Schritt und Tritt von zwei Wachen verfolgt. Sobald ich etwas anfasse, nimmt man es mir weg. Ich habe das Gefühl, ich stehe jedem nur im Weg und bin niemandem eine Hilfe.“
„Aber das stimmt doch nicht …“
Elaine unterbrach Julius’ schwachen Protest sofort: „Das ist sehr lieb von dir. Aber hier bin ich ungefähr so nützlich wie ein Stein im Schuh: bestenfalls unauffällig“, sie lächelte über Julius’ empörten Gesichtsausdruck, „in Komar lag die gesamte Verwaltung in meiner Hand – Ernährung, Kleidung, Unterbringung, ich habe alles geplant und beaufsichtigt.“
„Aber Komar ist zu gefährlich. Wenn Terranien fällt, wird sich auch Ariana nicht lange halten können. Wenn du nicht hierbleiben möchtest, dann geh wenigstens nach Askana und besuche Linda. Immerhin wart ihr früher Freundinnen.“
Als Lindas Name fiel, schüttelte Elaine entschieden den Kopf: „Das werde ich auf keinen Fall tun. Glaubst du wirklich, ich könnte den ganzen Tag kichern und mir über günstige Verbindungen und Intrigen den Kopf zerbrechen, während um mich herum ein Krieg tobt?“
Julius runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich weiß, was du meinst“, murmelte er. Dann hellte sich seine Miene auf: „Dann bleib wenigstens noch, bis wir Nachrichten aus Terranien erhalten. Wenn wir wissen, was in diesem Fürstentum geschehen ist, werde ich dich persönlich nach Komar bringen.“
Eine Weile stand Elaine unentschieden da. Sie wollte zurück nach Hause. Sie vermisste ihren Vater, ihr Volk, ihre Freunde und die raue Schönheit Arianas. Doch gleichzeitig wusste sie, dass Julius recht hatte. Dazu kam, dass Logis deutlich gesagt hatte, dass er sie in Komar vor Ende der Bedrohung nicht sehen wollte. Allerdings würde sie diese Untätigkeit nicht viel länger ertragen.
„Nun gut. Aber sobald wir wissen, was in Terranien passiert ist, kehre ich nach Komar zurück.“
Julius antwortete nicht, aber sein Lächeln zeigte deutlich, wie sehr er sich über ihre Entscheidung freute.
Die Abenddämmerung des zwanzigsten Tages des Monats Septima senkte sich über Magiara herab. Felicius stand auf der Treppe des Zauberturms und blickte nach Osten, wie er es in den letzten Tagen stets getan hatte. Trotz Larenias ständigen Beteuerungen, dass es Philipe gut ginge, machte er sich langsam Sorgen. Zuerst hatte er es für eine gute Idee gehalten, Philipe nach Terranien zu schicken, denn er war der Einzige, der den nächsten Schritt der Brochonier immer vorhersehen konnte. Doch jetzt, beinahe zwei Monate später, begann er zu zweifeln. Vielleicht hatte Pierre doch recht. Womöglich hätte man diese Aufgabe besser einem
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