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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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er jedenfalls reichlich zu tun gegeben. Allerdings hat er gegessen, als gäbe es demnächst nichts mehr, und das Fleisch musste immer so roh sein, dass man dachte, jeder halbwegs fähige Tierarzt könnte es wieder zum Leben erwecken. Und dann war wie aus heiterem Himmel Schluss.« Zur Betonung schnipste Annie mit den Fingern. »Tot.«
    Â»So ein großes Haus für zwei Personen. Kommt mir wie eine Schande vor.« Für einen Moment fragte sich Millie, wie es wohl wäre, die Herrin eines solchen Hauses zu sein. Sie dachte an Owen Montignac, der ihr aufgefallen war, als er von dem Begräbnis zurückkehrte. Sie hatte ihn angestarrt, ihm wie gebannt nachgeschaut, als er die Treppe zu seinem Zimmer hinauflief. Ihr Herz hatte schneller geschlagen, denn er war außergewöhnlich schön, doch sein Gesicht hatte schmerzerfüllt gewirkt. Noch nie hatte sie einen jungen Mann mit derart weißem Haar oder solch bestechend blauen Augen gesehen.
    Â»Sein Vater war wie er«, sagte Annie. »Hat eine Französin geheiratet. Ausgerechnet.«
    Â»Er sieht sehr gut aus«, sagte Millie versonnen.
    Â»Darauf würde ich nicht viel geben.«
    Â»Nicht wie die meisten anderen hier in der Gegend.«
    Â»Alles wird anders«, klagte Annie. »Heute wohnt kaum noch jemand in solchen Häusern. Die meisten können sich das nicht mehr leisten. Die Kosten sind zu hoch. Jetzt leben alle in London, in Stadthäusern und schicken Wohnungen. Die Landsitze bleiben das ganze Jahr geschlossen. Die meisten davon dienen nur noch Repräsentationszwecken.«
    Â»Und Mr Montignac? Hat er das auch vor?«
    Â»Woher soll ich das wissen.« Annie lachte und sog an ihrer Zigarette. »Denkst du, er weiht Leute wie mich in seine Pläne ein? In dem Punkt ist er wie sein Vater. Ich meine, wie sein Onkel. Das Personal interessiert ihn nicht, vielleicht mit Ausnahme von Margaret Richmond. Aber sie hat ihn ja praktisch aufgezogen, schon ab dem Tag, als er hier erschienen ist.«
    In dem Augenblick kam die Besagte durch die Tür. Milly sprang auf. Annie, die sich weigerte, Mrs Richmonds Autorität anzuerkennen, rührte sich nicht vom Fleck.
    Â»Annie, ich werde nach dem Tee gefragt«, sagte Margaret müde.
    Â»Nach welchem Tee?«
    Â»Nach dem fehlenden Tee.«
    Annie blieb noch einen Moment sitzen. Dann stemmte sie sich hoch, mühsam, als hätte sie ein Gewicht zu tragen, für das sie kaum genügend Kraft besaß. Ohne Margaret anzusehen, ging sie an ihr vorbei in die Küche, wo sie den anderen kurze, scharfe Befehle erteilte.
    Â»Und du? Mildred, oder?«, fragte Margaret.
    Â»Millie, Ma’am.«
    Â»Auch gut. Vielleicht siehst du einmal nach den Herren im Billardzimmer. Sie werden etwas brauchen, obwohl ich nicht finde, dass man an einem Tag wie diesem Spiele machen sollte.«
    Â»Jawohl, Ma’am.« Millie war feuerrot angelaufen und rannte hinaus.
    Verstimmt sah Margaret sich in dem leeren Raum um und ärgerte sich, weil alles ihr überlassen blieb. Es wäre um einiges leichter, wenn Stella und Owen sich ein wenig um die Gäste bemühen und sich für deren Erscheinen bedanken würden.

6
    Leonard fuhr den Wagen zum Eingang des Hauses am Tavistock Square und drosselte das Tempo, um keinen der herumlungernden Reporter umzufahren, obwohl er genau das gern getan hätte. Einige von ihnen klopften ans Seitenfenster, riefen ihm durch die Glasscheibe Fragen zu, aber dabei handelte es sich um diejenigen mit der geringsten Erfahrung. Der Rest wusste, dass der Chauffeur ihnen nichts mitteilen würde, nicht einmal etwas Interessantes mitzuteilen hätte.
    Â»Bist du so weit?«, fragte Roderick seine Frau. Jane begutachtete sich ein letztes Mal im Flurspiegel. Es war bereits Viertel nach zehn, und Roderick wollte unbedingt losfahren.
    Jane nickte. »Ich bin soweit.«
    Â»Und denk daran – kein Wort zu einem von denen da draußen«, mahnte Roderick und öffnete die Tür. An der Straße wurden sie von einem guten Dutzend Reporter empfangen, die Block und Bleistift zückten und sie mit Fragen bombardierten.
    Â»Euer Ehren, werden Sie heute das Urteil verkünden?«
    Â»Haben Sie mit dem Königshaus gesprochen?«
    Â»Richter, wird es Leben oder Tod? Leben oder Tod? Wird er genau wie jeder andere behandelt?«
    Zielstrebig und mit gesenktem Kopf steuerte Roderick den Wagen an. Leonard hatte die Tür des Fonds

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