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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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dankbar wäre.«
    Â»Ich sage dazu nichts«, entgegnete Roderick. »Bist du jetzt fertig?«
    Â»Nein, da ist noch etwas.« Sie senkte ihre Stimme. »Dieser Junge, dieser Henry Domson, wie alt ist er noch gleich?«
    Â»Dreiundzwanzig.« Nach all den Monaten, die er sich mit dem Angeklagten befasst hatte, hätte Roderick jede Frage über dessen Leben wie aus der Pistole geschossen beantworten können.
    Â»Dreiundzwanzig Jahre alt.« Bekümmert schüttelte Jane den Kopf. »Noch ein Kind. Genau so alt wie Gareth. Stell dir vor, er wäre in dieser Lage. Würdest du deinem Sohn ein solches Schicksal wünschen?«
    Â»Dazu wird es nie kommen«, erwiderte er. »Ich habe es schon einmal gesagt: Gareth mag sein, wie er will, aber das, was Domson getan hat, würde unser Sohn nie tun.«
    Â»Du hast dich schon einmal für ihn eingesetzt«, sagte Jane. »Weißt du das nicht mehr?«
    Roderick warf ihr einen Blick zu. Es ging um einen Vorfall, den er am liebsten vergessen hätte.
    Â»Erinnerst du dich noch? Damals hast du deine ethischen Grundsätze zur Seite geschoben, um ihm einen Schulverweis zu ersparen.«
    Â»Natürlich erinnere ich mich noch daran. Damals handelte es sich um einen Schulbubenstreich. Es war etwas vollkommen anderes.«
    Â»Es war ein gewalttätiger Akt.«
    Â»Es war ein Streich, der aus dem Ruder gelaufen ist.«
    Â»Du bist ein Vater, Roderick, vergiss das nicht. Und dieser Junge ist nur ein Junge.«
    Â»Er ist dreiundzwanzig Jahre alt«, rief Roderick aufgebracht. »So jemand ist wohl kaum noch ein Junge.«
    Â»Ich habe zu dem Thema jetzt alles gesagt«, erwiderte Jane. Vor ihnen tauchte Old Bailey auf. »Den Rest überlasse ich deinem Gewissen. Du wirst wissen, was das Richtige ist.«
    Â»Das möchte ich doch meinen.« Roderick schnaubte. Der Wagen hielt an. Die nächste Schar Reporter stürzte auf sie zu. »Verflucht noch mal. Überall Presse. Halte den Kopf gesenkt und nimm meine Hand. Und sprich mit niemandem, bevor wir im Gerichtssaal sind. Hast du mich verstanden?«
    Roderick dachte, in einer Stunde wird alles vorbei sein, und das Leben kann wieder normal werden. Er stieg aus dem Wagen, bahnte sich einen Weg durch die Menge, erreichte die Eingangsstufen und schließlich die vergleichsweise Ruhe und Sicherheit seines geliebten Gerichtssaals.

7
    Â»Die Lobrede, die du gehalten hast«, begann Stella Montignac. Sie saß im Zimmer ihres Cousins auf einem Sessel in der Ecke und warf einen Tennisball von einer Hand in die andere. »Ich hätte nie gedacht, dass etwas so Poetisches in dir steckt.«
    Â»Das überrascht mich«, sagte Montignac, der an seinem Schreibtisch saß. »Ich bin doch nicht aus Stein.«
    Â»Das weiß ich«, lenkte Stella hastig ein. »Ich wollte nicht …« Ihre Stimme verklang. Sie schüttelte den Kopf und seufzte leise. »Lass uns nicht streiten«, bat sie. »Nicht an diesem Tag.«
    Â»Ich streite nicht«, entgegnete Montignac gelassen. Er schaute zu Stella hinüber und erkannte verwundert, wie viel Mühe sie sich anlässlich der Beerdigung mit ihrem Aussehen gegeben hatte. Sonst trug sie weder aufwändige Kleidung noch ein Übermaß an Make-up, doch für das Begräbnis ihres Vaters hatte sie mehr als üblich investiert. Ihr Kleid war ebenso schwarz wie ihr Haar, und unter ihren Augen hatte sie einen Hauch Lidstrich verteilt, der sich gehalten hatte, denn während der Bestattung hatte sie nicht geweint.
    Â»In Anbetracht der Umstände war es ein sehr schöner Gottesdienst«, fuhr sie fort. »Alles war so, wie er es sich gewünscht hätte. Wundervolle Hymnen, schöne Blumen …«
    Â»Hymnen«, sagte Montignac verdrossen. »Wozu sollen die gut sein? Und seit wann hat dein Vater sich für Blumen interessiert?«
    Er warf einen Blick auf das Blatt Papier auf seinem Schreibtisch, überflog die Zeilen noch einmal, unterschrieb und steckte die Seite gefaltet in einen Briefumschlag. Als Stella vor wenigen Minuten sein Zimmer betreten hatte, war er dabei gewesen, einen Brief an Nicholas Delfy zu schreiben. Delfy war der Besitzer eines kleines Spielkasinos im East End von London, dem Owen eine beträchtliche Summe Geld schuldete. Der Betrag war überfällig, und seit einer Weile waren die Zinsen hinzugekommen. Direkte Drohungen hatte er nicht erhalten, aber er hatte die Hinweise

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